Blattgold und Zinnober

Buchschmuck in den
Handschriften des Nibelungenliedes

von Petra Riha



Prunner Codex - Nibelungenliedhandschrift *D ..


Der Buchschmuck in den Handschriften des Nibelungenliedes ist bis auf eine Ausnahme Initialkunst. Das Wort Initiale leitet sich vom lateinischen initium, d.h. Anfang ab. Vergrößerte Anfangsbuchstaben finden sich bereits in spätantiken Schriften.
Um das Schriftbild gefälliger zu gestalten, begann man im frühen Mittelalter die Initialen zu verzieren. Ein schönes Beispiel liefern die sogenannten Zirkelschlaginitialen der merowingischen Handschriften, die vorwiegend mit zoomorphen Motiven geschmückt sind.

Ein fantasievoll verschlungenes Muster im Buchstabenkörper und im Binnenfeld zeigt die Initiale B im Dagulf-Psalter.
Der Dagulf-Psalter entstand zwischen 783 und 795 an der Hofschule Karls des Großen. Von dort entwickelte sich eine neue Art des Buchschmucks, die durch Verwendung kostbarer Materialien zum Ausdruck herrscherlicher Repräsentation wurde.
Einen sehr eigenwilligen Initialstil schufen zur gleichen Zeit die Mönche in England und Irland, deren Ornamentalkunst bis heute nichts von ihrer Faszination verloren hat. Die Blütezeit insularer Buchmalerei brachte so herausragende Kunstwerke wie das Book of Kells oder das Book of Durrow hervor. Hier sehen sie das eindrucksvolle keltische Muster der Eingangsinitiale zum Matthäus-Evangelium – Chi-Rho-Initiale - im Book of Kells.
Englische Missionare brachten Einflüsse dieser Kunstrichtung auf den Kontinent , wo sie in Werken des Skriptoriums von St. Gallen überlebten.
Zurück aufs Festland.
Ab der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts vollzog sich dann die Hinwendung zur Romanik. Unter ottonischer Herrschaft entwickelten sich die Skriptorien der Klöster Echternach und Reichenau zu Zentren der Buchmalerei.
Im Gegensatz zu dieser farbenfrohen Prachtentfaltung reduzierten die Maler der zisterziensischen Klöster ihrem Demutsgelübde entsprechend den Buchstabenkörper auf eine florale Formensprache und schufen ab Anfang des 12. Jahrhunderts Werke von schlichter Schönheit und Eleganz.
Etwas später begann der Siegeszug der Fleuronnée-Initiale, deren feine Musterung fast dreihundert Jahre aktuell bleibt und die in ihrer klassischen Form rote und blaue Ausläufer zeigt, die sich manchmal über das ganze Blatt ziehen und deren Verzierungen immer in einer anderen Farbe gemalt sind als der Buchstabe.
Insgesamt wurde die Initialkunst im Laufe des 11. und 12. Jahrhunderts immer mehr verfeinert , in den Handschriften finden sich zunehmend mit üppigem Rankenwerk überwucherte Buchstaben und dann schließlich auch bewohnte Initialen, d.h. in oder auf den Ausläufern und Knospen der Ranken tummeln sich Figuren oder skurrile Fabelwesen
Bald darauf nutzte man die Binnenfelder, also die Innenflächen des Buchstabenkörpers, um sie mit textbezogenen Miniaturen zu füllen.
Das war die Geburt der sogenannten historisierten Initiale.
Ab ca. 1200 sorgte die Gründung der Universitäten für eine steigende Nachfrage nach Büchern und förderte die Entwicklung weltlicher Schreibstuben.
Es wurden nun auch nicht mehr nur geistliche Werke illustriert, sondern auch wissenschaftliche Texte und Ritterromane.
Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts, also der Entstehungszeit der drei Haupttexte des Nibelungenliedes, wachsen die Ausläufer der Initialen und umranken schließlich den ganzen Schriftspiegel.
Gleichzeitig tritt der verzierte Buchstabe zugunsten aussagefähiger Miniaturen zurück. Diese Ausläufer wurden oft von Fabeltieren und Hybridwesen bevölkert
Schließlich erreichte die Buchmalerei in den virtuosen Zeichnungen spätgotischer Meister ihren Höhepunkt, wo sie als Kunstwerk und Prestigeobjekt zugleich die Bibliotheken fürstlicher Auftraggeber schmückten.


Pergament und Farben

Pergament, das aus den bearbeiteten Häuten von Ziegen, Schafen und Kälbern hergestellt wurde, war bis weit ins 15. Jahrhundert hinein der bevorzugte Beschreibstoff.
Da für eine großformatige Handschrift bis zu 300 Tiere ihr Leben lassen mußten, ging man sehr sorgfältig mit dem wertvollen Material um und machte sich die Mühe, beschädigte Blätter zu flicken, ehe man sie wegwarf.
Nachdem die Bögen liniert und der Platz für die Initialen und Miniaturen festgelegt worden waren, begann der Schreiber mit seinem Werk.
Je nach Größe des Skriptoriums wurden die roten Überschriften nicht von der Schreiberhand, sondern vom Rubrikator (lat. rubus, rot) angefertigt.Jede Handschrift verdankt ihre Ausdruckskraft jedoch dem Maler der Verzierungen.
Nicht ohne Grund nannte man ihn Illuminator. Illuminator leitet sich vom lateinischen illuminare – leuchten – ab und tatsächlich haben die Farben bis heute nichts von ihrer Intensität verloren. Das liegt nicht zuletzt daran, daß sie im geschlossenen Buch länger überlebten, als z.B. in der Wandmalerei, wo sie widrigen Witterungsbedingungen und vor allem dem Licht ausgesetzt waren.
Die für die Buchmalerei verwendeten Farbpigmente waren mineralischen, tierischen oder pflanzlichen Ursprungs und wurden mit Bindemitteln wie Gummi, Eigelb, Eiweiß oder Fischleim malfähig gemacht.
Bräunlich rot war das aus dem Harz des indischen Drachenbaumes gewonnene Drachenblut, von dem Plinius sagte, daß es aus der Vermischung des Blutes von Drachen mit Elefanten stammte.
Einen intensiveren Rotton erzielte mit dem man aus den Eiern der Kermesschildlaus gewonnenen Carmin und die Wurzeln der Pflanze Färberöte waren der Grundstoff für Krapplack, einem dunklen Rot, das u.a. auf der Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu nachgewiesen wurde.
Eifrig benutzt wurden auch gesundheitlich nicht unbedenkliche Farbstoffe wie Zinnober, Quecksilbersulfid, das einen feuerroten Farbauftrag lieferte
und das hochgiftige Mennige, rotes Bleioxyd.
Von Mennige, lat. Minium leitet sich übrigens das Wort Miniatur ab.
Gab man Essig oder Urin auf Kupferplatten und lagerte sie in Dung, fabrizierte man das beliebte Verdigris, besser bekannt als Grünspan.
Etwas gedämpfter im Farbausdruck war zerstoßener Malachit. Einen mattgrünen Farbton lieferte grüne Erde.
Zu den bekanntesten blauen Farbtönen gehörte das „Blau von jenseits des Meeres“, pulverisierter Lapislazuli, und das „Blau von diesseits des Meeres“, Azurit.
Rechts sehen sie jeweils den zu Pulver zerstoßenen Stein. Lapislazuli war unbeschreiblich teuer, begegnet uns jedoch öfter als vermutet in mittelalterlichen Handschriften. Die strahlenden ultramarinblauen Gewänder auf alten Miniaturen verdanken wir meistens dem leuchtenden Lapislazulipigment.
Wesentlich gedämpfter war das Blau aus der Indigopflanze oder dem europäischen Waid.
Zartere Farbtöne lieferten zerstoßene Eierschalen, die ein gebrochenes Weiß hervorbrachten und die allseits beliebten Ockerpigmente.
Schwarz stellte man bevorzugt aus verkohlten Knochen oder Elfenbein her.
Bedeckte man Bleiplatten mit Esig oder Urin, entstand durch die chemische Reaktion Bleiweiß, das man dann durch Erhitzen in Bleigelb verwandeln konnte.
Ebenso geheimnisvoll wie giftig war das glitzernde Auripigment – gelbes Arsensulfid – das auch als Goldersatz Verwendung fand und zur Verzierung im Book of Kells benutzt wurde.
Goldene Flächen gestaltete man mit pulverisiertem echtem Gold, das mit Bindemittel vermischt in Muschelschalen aufbewahrt wurde und daher den Namen Muschelgold trug.
Ab ca. 1200 machte poliertes Blattgold eine Handschrift zum Prachtcodex.




Die Handschriften des Nibelungenliedes



Handschrift *C


Die älteste, uns bekannte Abschrift des Nibelungenliedes ist die Handschrift C, die aus dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts stammt.
Ein einziger Schreiber brachte das Epos in einer frühgotischen Minuskel auf hochwertiges Pergament. Der erste Buchstabe einer Strophe sowie Eigennamen wurden zusätzlich mit roter Tinte markiert.
Der Liedtext beginnt mit der Spaltleisteninitiale „U“, die hier spiegelverkehrt erscheint. Vermutlich hat der Maler eine Schablone benutzt und den Buchstaben versehentlich falsch abgezeichnet.
Charakteristisch für Spaltleisteninitialen sind die nietenverzierten Spangen und die gespaltenen Schäfte, die dem Buchstabenkörper ein altertümliches Aussehen verleihen.
Die Forschung vermutet, daß die Redaktion absichtlich diese archaisch wirkenden Initialen auswählte, passend zum Inhalt des Textes, der ja schon zur Zeit der Entstehung Geschichten aus alter Zeit erzählte.
Allerdings entsprach dieser Zeichenstil auch einer Modeströmung jener Zeit. Man gestaltete zu Beginn des 13. Jahrhunderts allgemein schon wesentlich elegantere Buchstabenformen, griff aber trotzdem immer noch gerne auf diese sehr robust wirkenden Initialen zurück, nicht nur in der Handschrift C des Nibelungenliedes, sondern z. B. auch in der Lilienfelder Bibel, deren Initialen die gleiche Formensprache zeigen.

Ganz anders wirken die Initialen, die die einzelnen Aventiuren einleiten.
Obwohl sie in einem etwas schwerfälligen beginnenden Fleuronnéestil gestaltet sind, verleihen sie dem Schriftbild einen Hauch von „höfischer Eleganz“.
Die Kreativität des Malers findet ihren schönsten Ausdruck am Beispiel des Buchstabens D, den er auf verschiedene Weise ausschmückte.
Ist er auf Seite 50v noch relativ sparsam verziert, umgeben ihn auf Seite 92v zierliche Palmetten, die der Illuminator fast wie Schleifen angeordnet hat und ihm ein verspieltes Aussehen verleihen.
Vom maltechnischen Gesichtspunkt aus ist die Handschrift C relativ einfach ausgestattet.
Die Umrisse sind mit der Feder vorgezeichnet und wurden dann mit roter und blauer Farbe ausgefüllt
Leider wissen wir nicht, um welche Pigmente es sich dabei handelt, denn
im Gegensatz zu einigen anderen mittelalterlichen Texten unterzog man die Farbmittel der Nibelungenhandschriften keiner chemischen Analyse.


Handschrift *B


Um 1260 schufen Künstler eines unbekannten Skriptoriums für einen nicht namentlich genannten Auftraggeber eine Prachthandschrift, die neben anderen herausragenden Werken mittelalterlicher Literatur auch eine heute als Fassung B bezeichnete Abschrift des Nibelungenliedes und der Klage enthielt.
Dieser Cod. 857 sangallensis wird heute in der Stiftsbibliothek St.Gallen aufbewahrt.
Schon der Germanist Friedrich Heinrich von der Hagen bezeichnete ihn 1820 als „den eigentlichen Hort der Nibelungen“ und 1833 lobt Karl Lachmann die „edle geschmackvolle Pracht der vergoldeten Anfangsbuchstaben, den milden Glanz der Tinte und des Pergaments“ und sichert ihr den ersten Platz unter allen mittelhochdeutschen Werken, die er je gesehen hat.
Am Nibelungenlied arbeiteten drei verschiedene Schreiber auf hohem kalligrafischen Niveau.
37 Initialen schmücken den Text der Handschrift B, vier davon sind belebt, d.h. sie zeigen eine Figur im Binnenfeld.
Der Codex 857 verfügt über rubrizierte Majuskeln und abwechselnd rote und grüne Lombarden.
Die Eingangsinitiale zeigt einen in leuchtendes Rot gekleideten Mann, der vermutlich den anonymen Dichter darstellt.
Seine linke Hand zeichnet die Geste des Redeanfangs, Daumen und Zeigefinger bilden einen Kreis. Die rechte Hand stützt den Querbalken des Buchstabens E, der die erste Strophe der ersten Aventiure einleitet:
es wuochs in burgonden ein vil edel magedin..
Bei den Figureninitialen deutet sich schon an was die künstlerische Besonderheit der Handschrift B ausmacht.
Die Initialen des Codex 857 wurden nämlich von einem Repräsentanten der Paduaner Malschule gestaltet, d.h. der Illuminator stammte entweder aus Norditalien oder er wurde an einer Schule ausgebildet, die diesen Illustrationsstil lehrte. Die These, daß ausländische Maler an der Ausgestaltung des Codex gearbeitet haben, wird von der Tatsache untermauert, daß in der 7. Aventiure anstelle des I ein S gezeichnet wurde, man kann also davon ausgehen, daß der Künstler den deutschen Text nicht lesen konnte.
Die orientalisch anmutende Formensprache zeigt eindeutig byzantinischen Einfluß, der sich nach der Eroberung Konstantinopels 1204 über Venedig
nach Norditialien ausbreitete und sich am eindrucksvollsten in einer Gruppe von Handschriften manifestierte, die dem Buchschmuck des St. Galler Codex nahestehen.
Die Buchstabenkörper sind mit leuchtenden Deckfarben gemalt und mit Akanthusranken verziert, die durch die schwarze Umrahmung zusätzliche Ausdruckskraft erhalten.
Aus dem gleichen Skriptorium stammt das Berliner Fragment 44, die sogenannte Handschrift E.
Die Handschriftenanalyse ergab, daß die Schreiberhand IV des Nibelungenlieds im Codex sangallensis auch diese Zeilen niederschrieb.
Allerdings handelt es sich bei diesem Fragment um den Text der C-Fassung. Das zeigt, daß der Schreibwerkstatt beide Fassungen als Vorlage zur Verfügung standen, die dann auf ganz unterschiedliche Weise mit Buchschmuck versehen wurde. Das deutet auf sehr professionelles Arbeiten hin.
Die M-Initiale, die den Beginn der 5. Aventiure einleitet, hat einen geteilten Buchstabenkörper, der mit Fleuronnéemotiven geschmückt ist und ähnelt im Stil den Initialen der Handschrift C, wirkt jedoch in ihrem Erscheinungsbild wesentlich filigraner.


Handschrift *A


Die Handschrift A, die heute mit der Sigle Cgm 34 in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt wird, wurde im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts – um 1280 – von zwei Haupt- und bis zu vier Nebenschreibern angefertigt. Es handelt sich um die kürzeste Fassung des Nibelungenliedes. weiterhin deutet die Metrik darauf hin, daß es sich um die älteste uns bekannte Fassung des Epos handelt, wenn auch diese Abschrift erst spät entstand.
Die deutlichen Spuren der Abnutzung zeigen, daß sie als Vortragsexemplar diente.
Im Ausstellungskatalog des Badischen Landesmuseums heißt es:
„die unscheinbare Gebrauchshandschrift ist anspruchslos mit einfachen roten Initialen und Aventiure-Überschriften rubriziert.“
Stimmt. Zudem wirkt das Schriftbild sehr ungepflegt.
Wenn man aber genauer hinschaut, entdeckt man teilweise sehr skurrile Buchstabenkörper, die nicht zuletzt durch die kräftige rote Farbe und die damit verbundene Signalwirkung beeindruckende grafische Ausdruckskraft besitzen. Zu sehen sind mittelalterliche Buchstaben in ihrer ursprünglichen Form.


Handschrift *D


Neben der Handschrift A besitzt die bayerische Staatsbibliothek eine weitere Abschrift des Nibelungenliedes. Es handelt sich um die Handschrift D, die im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts in Böhmen angefertigt wurde.
Der Buchschmuck der Handschrift D lebt von der Üppigkeit der Fleuronnéeranken, die nicht nur die Eingangsinitiale U verzieren, sondern in Form von roten, grünen und blauen Lombarden jede einzelne Strophe eröffnen.
Um den Anfangsbuchstaben gruppierte der Illuminator in blauen und goldenen Lettern die erste Zeile der ersten Strophe: „uns ist in alten maeren wunders viel geseit...“


Wiener
Piaristenhandschrift
Handschrift *k


Die Wiener Piaristenhandschrift trägt ihren Namen nach dem Ort ihrer Entdeckung, dem Wiener Piaristenkollegium, wo sie 1865 gefunden wurde.
Als Papierhandschrift von der Forschung mit dem Kleinbuchstaben k benannt, , weicht sie inhaltlich stark vom Text der Haupthandschriften A, B und C ab.
Bei der Schrift handelt es sich um die gebräuchlichste spätmittelalterliche Buchschrift, die Bastarda, die durch ihre geschwungenen Über-und Unterlängen schon die beginnende Kursivschrift andeutet.
Insgesamt ist sie sehr farbig koloriert und wirkt durch diese Buntheit sehr lebendig, eine Eigenschaft, die sie mit anderen Handschriften gleicher Entstehungszeit teilt.



Hundeshagenscher Kodex


1816 erstand Bernhard Hundeshagen für 100 Dukaten von einem nicht namentlich genannten Verkäufer eine Papierhandschrift aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts.
Der nach ihm benannte Hundeshagensche Kodex beinhaltet eine der letzten spätmittelalterlichen Niederschriften des Nibelungenliedes.
Der Text setzt sich aus Teilen der „B“ und „C“-Fassung zusammen, eingefügt ist ferner ein mittelalterliches Schwankmotiv:
Hildebrand durchtrennt Kriemhilds Körpermitte mit seinem scharfen Schwert so schnell, daß sie ihre Ermordung erst bemerkt, als sie sich bückt, um einen Ring aufzuheben und in zwei Teile zerfällt.
Bei der Schrift handelt es sich wie in der Piaristenhandschrift um die beliebte Bastarda, die Bilder wurden mit der Feder vorgezeichnet und dann mit Wasser-und Deckfarben koloriert. Jeder Strophenbeginn ist mit einem roten Rubrikenzeichen markiert.
Leider gingen zwei Miniaturen verloren und die verbliebenen Illustrationen korrespondieren nicht immer direkt mit dem darunterstehenden Text, wie die Miniatur von Kriemhilds Falkentraum zeigt, die das Kapitel von „Seyfried dem Starcken“ einleitet.
Wir sehen Kriemhild – unbekleidet bis auf ihre Krone - in ihrem Schlafgemach, die den Falken attackierenden Adler, die unterhalb der Decke kreisen symbolisieren den Traum und künden vom bevorstehenden Unheil. Am Fußende des Bettes steht ihre Mutter Ute und deutet den Traum.
Links neben der Lombarde D, die den Textbeginn markiert steht ein kleines schwarzes D, ein sogenannter Repräsentant, ein Hinweis des Schreibers für den Maler welcher Buchstabe hervorgehoben werden sollte.
Siegfrieds erste Begegnung mit Kriemhild zeigt uns nicht nur die Liebenden, sondern gibt interessante Hinweise auf die damalige Mode. Die Anwesenden sind sehr elegant gekleidet und schon dadurch als Mitglieder der höfischen Gesellschaft zu erkennen.
Kriemhild – in Rot – neigt grüßend den Kopf und reicht Siegfried, der rote Schnabelschuhe trägt, die Hände.
Die Lombarden - hier ein M – wurden übrigens in zwei verschiedenen Rottönen gezeichnet, wobei man das dunklere Rot, fast ein Weinrot, nur dann einsetzte, wenn es auch in der dazugehörigen Miniatur Verwendung fand.
Auf einigen Bildern sind deutlich nachträglich eingefügte „Zeichnungen“ zu erkennen, so wurde z.B. bei der „Ermordung Siegfrieds“ zu späterer Zeit Hagens Haupt mit einem Federbusch geschmückt.
Die letzte Miniatur der Hundeshagenschen Handschrift zeigt Kriemhild mit dem abgeschlagenen Haupt Gunthers. Ein weiteres Mal versucht sie, von Hagen das Versteck des Nibelungenhorts zu erfahren.
Dieser sitzt mit gefesselten Händen und in den Block gespannten Beinen in seinem Gefängnis und schweigt.

Was hier nicht dargestellt ist, wir aber wissen: gleich wird Kriemhild Hagen den Kopf abschlagen und im Vordergrund, im roten Gewand, zieht Hildebrand schon sein Schwert aus der Scheide, um den finalen Mord zu begehen und Kriemhild in Stücke zu hauen.
Und damit – wir lesen es über dem Bild in roter Auszeichnungsschrift:
hat der streit ain ende.