Nibelungen-
Pop & Kitsch

Von Fleischextrakt bis Fleischbeschau


von Olaf Mückain

„Liebig’s Fleischextrakt“ , um 1900 ..


Das Nibelungenmuseum war während der Nibelungenfestspiele 2006 mit einer Sonderschau zu Gast im Andreasstift. Gezeigt wurden in der Ausstellung Exponate zu den Nibelungen, wie sie in die Populärkultur – vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – Eingang gefunden haben.

Nicht jeder denkt bei dem Begriff „Nibelungen“ automatisch an hohe Literatur und an das „klassische“ Nibelungenlied. Mancher erinnert sich vielmehr mit einem Anflug von Nostalgie an seine eigene Jugend und die fast 700 Abenteuer des Comic-Helden „Sigurd“, der aus der Sozialisation der Nachkriegskinder kaum wegzudenken ist. Es ist kein Geheimnis, dass Sigurd, „der ritterliche Held“ (so der offizielle Beiname) mit den Nibelungen nicht mehr zu tun hat als das Computerspiel „Der Ring des Nibelungen“ mit Wagners vierteiligem Opernzyklus oder „Liebig’s Fleischextrakt“ mit der Ermordung Siegfrieds. Die Herstellerfirma Liebig legte zur Jahrhundertwende eine Reihe von Sammelbild-Serien auf, die unter anderen die Nibelungen thematisierten.


„Liebig’s Fleischextrakt“ mit der Ermordung Siegfrieds.
Sammelbild-Seriezur Jahrhundertwende


Einen Höhepunkt erreichte die Freiheit - um nicht zu sagen Freizügigkeit - der Nibelungenrezeption im Jahr 1970 mit dem Erotikfilm „Siegfried und das lustige Liebesleben der Nibelungen“ mit Kraftpaket Raimund Harmsdorf in der Titelrolle. Auf dem Kinoplakat posiert der herkulische Strahlemann mit einer splitternackten Kriemhild, die er wie eine Trophäe mit ausgestreckten Armen emporstemmt. Gerade die ungelöste und bisweilen irritierende Spannung zwischen nibelungischem Ernst und trivialer Auslegung machte den Reiz der ausgestellten Werke aus.

Nach Medien und Bildträgern geordnet, ergaben alltägliche Gebrauchsgegenstände, Filme, Plakate und Tonkonserven sowie Kuriositäten ein abwechslungsreiches, unkonventionelles und erfrischend vergnügliches Bild auf die Nibelungensage.
Der Grenzbereich ist fließend, was der Eine für Kitsch hält, ist für den Anderen Kunst. In der Regel zeichnen sich Kitschprodukte quantitativ durch ihre massenhafte Vervielfältigung und qualitativ durch den Kontrast zwischen dem Anspruch auf hohe Kunst und profaner Wirklichkeit aus. „Kitsch wäre die Kunst, die nicht ernst genommen werden kann oder will und die doch durch ihr Erscheinen ästhetischen Ernst postuliert“, meinte die Frankfurter Schule mit der Stimme von Theodor W. Adorno.

„Siegfried und das lustige Liebesleben der Nibelungen“ Erotikfilm aus dem Jahr 1970 mit Raimund Harmsdorf

Die Ausstellungsgegenstände stammten aus Leihgaben privater Sammler. Den größten Teil stellte Andreas Grünwald aus Weimar zur Verfügung, der seit 2003 auch Mitglied in der Wormser Nibelungenlied-Gesellschaft ist.
Seit den 70er Jahren erlebt das private Sammeln einen bemerkenswerten Boom. Mittlerweile findet sich fast nichts mehr, was nicht gesammelt wird. In der Ausstellung der Nibelungensammlungen zeigte sich die Vielfalt der Nibelungenrezeption durch ihre Verarbeitung in Kunst, Kitsch und Kommerz. Faktoren wie Seltenheit, Alter oder Herkunftsort spielten eine untergeordnete Rolle.
Vorrangig handelte es sich um dreidimensionale „Motivträger“ wie Kannen, Zinnteller und Steingutkrüge. Hinzu kamen Dosen, Münzen und Medaillen, Sammelbilder und Geschenkartikel, Bücher und Comics, Hörspiele und Filme, Gesellschafts- und Computerspiele sowie Figuren. Neben dem eigentlichen Ausstellungsort Andreasstift (Weißer Saal) waren parallel im neuen „Mythenlabor“ des Nibelungenmuseums Plakate und Kinoaushangfotos zu den populären „Nibelungen“-Filmen der 60er Jahre in der Regie des Karl-May-Verfilmers Harald Reinl ausgestellt.

Im Worms-Verlag ist der bebilderte Ausstellungskatalog „Die Nibelungen – Pop & Kitsch“ mit einführenden Texten und einem Verzeichnis der ausgestellten Werke erschienen.

Das Nibelungenlied
zwischen Bildungsbürgerlichem Anspruch und profaner Alltagswirklichkeit

Die Nibelungensage in der „klassischen“ Fassung des Nibelungenliedes ist ein Epos von hohem literaturgeschichtlichem Rang, so dass zunächst nichts ferner zu liegen scheint als eine Verknüpfung der geachteten Dichtung mit Massenware und Kitschprodukten. In letzter Konsequenz führte jedoch gerade die wachsende Popularität der Nibelungen-Thematik zur Anpassung an den breiten Publikumsgeschmack und damit schließlich zu „Pop & Kitsch“. Eine weitere Entstehungsquelle erschlossen sich „Pop & Kitsch“ ausgerechnet in der „hohen Kunst“ der Nibelungen, - beispielsweise der grundlegende mittelalterliche Text oder die Bühnenweihspiele von Wagners „Ring“: Dort ergab sich ein Bedürfnis nach ironischer Brechung und parodistischer Entlastung von Bildungsballast, Ernst, Tragik, Pathos sowie künstlerischem Anspruch.
Seit der Wiederentdeckung der Handschrift C in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts unterlag der zuvor in Vergessenheit geratene Stoff einer Vielzahl von Ausdeutungen, Nachdichtungen und künstlerischen Verbildlichungen. Die Sonderausstellung widmete sich bewusst einmal nicht den zahlreichen Vereinnahmungsversuchen durch nationalistische Strömungen seit den Napoleonischen Kriegen, der bildkünstlerischen Rezeptionsgeschichte beispielsweise in der Romantik oder der Indienststellung für die Durchhalteparolen der NS-Propaganda. Stattdessen spiegelte sie das Vordringen der Nibelungen in das Privatleben der Bürger im zwanzigsten Jahrhundert wider und führte damit sowohl den „Vormarsch“ der Sage ins Familienleben vor Augen wie in umgekehrter Weise das Besitzergreifen dieses Mythos durch die kleinbürgerlichen Aneignungs- und damit Selbstaufwertungsversuche. So eroberten die Burgunden als „Hauptdarsteller“ auf Wandtellern, Zinngeschirr und später Filmstreifen die gute Stube bzw. ergriffen in den „Sigurd“-Comics von den Kinderzimmern Besitz, wie andererseits das Bedürfnis zur Identifikation mit dem traditionsstiftenden, bedeutsamen Epos bestand und weiterhin besteht.
Zu Beginn seiner neuzeitlichen Wirkungsgeschichte wurde das Nibelungenlied mit Homers „Ilias“ verglichen. Auch in der Folgezeit dominierten das antik-griechische und das altdeutsche kulturelle Identifikationsmuster die Wirkungsgeschichte des Epos. Wie anders stellen sich bei einer oberflächlichen Betrachtung all die Zier- und Gebrauchsgegenstände dar, die im neunzehnten und im zwanzigsten Jahrhundert als Motivträger für die Szenenbilder der Sage fungierten. Dem prüfenden Blick entgeht jedoch nicht die häufige Übertragung von Interpretationsweisen, Kompositionsmustern, Figurenauffassung und Szenenarrangements aus dem klassisch-heroischen Kontext in die Trivialität der Alltagswelt. Gerade dieses Auseinanderklaffen von hehrem Anspruch und banaler Alltagsrealität kann jene unfreiwillige, unterschwellige Ironie erzeugen, die ein Signum des Kitsches darstellt und gerne augenzwinkernd zur Kenntnis genommen wird. Ein weiteres Merkmal des Kitsches Bildet die risikoreiche Gratwanderung entlang der Schwelle zwischen echten und falschen Emotionen. Für den empfänglichen Betrachter kann eben auch der Kitsch zum Gefühlsventil werden und eine läuternde Wirkung zeitigen.


Gliederung und Konzeption der Ausstellung

Sammeln ist eine Leidenschaft. Gesammelt und bevorratet wird von jeher das Wertvolle und Seltene, vor allem aber das Gefährdete und Flüchtige. Je schnelllebiger eine Zeit, desto stärker wächst das Bedürfnis der Menschen nach Erhaltung materieller Zeugnisse und nach Dokumentation des Vergänglichen. Was das Sammeln von Gegenständen und Medienkonserven zum reichen Thema der Nibelungen aus der jüngeren Vergangenheit anbelangt, so ist es weniger die Dimension Zeit als der Raum, der dem Verflüchtigen Vorschub leistet - will sagen, die unüberschaubare Fülle des Materials verlangt nach einer Verankerung im Hier und Jetzt.
Die Nibelungensage besitzt einen derart hohen Verbreitungsgrad und guten Kenntnisstand in der Bevölkerung, dass ihre Protagonisten, Schlüsselszenen und markanten Lokalitäten einen hohen Wiedererkennungswert besitzen und allenthalben in unserer jüngst vergangenen und aktuellen Alltagswelt präsent sind. Damit bestehen günstige Voraussetzungen für eine repräsentative und attraktive Privatsammlung von Bildträgern der Nibelungenthematik. Die Sonderschau versammelte dreidimensionale Objekte und Ziergegenstände neben so genannter „Flachware“ (vorwiegend Reproduktionen wie Sammelbilder und Werbeplakate), Büchern und audiovisuellen Medien. Eine Sonderrolle hinsichtlich der Gelegenheit zur Interaktion nahmen die Computer- und Brettspiele ein.
Der Ausstellungsraum entsprach weitgehend einer herkömmlichen (dem Thema entsprechend aufgelockerten) musealen Präsentation. Man mag ihn als eine Art zeitgenössisches Sammlerkabinett verstehen, in welchem die repräsentativsten und bedeutendsten Stücke zu einer öffentlichen Schausammlung geordnet und arrangiert sind. Um die Einbettung des aus der Alltagswelt stammenden Sammelguts in den privaten Lebenskontext eines ursprünglichen Besitzers aus der Nachkriegszeit und mehr noch eines heutigen Sammlers zu illustrieren, wurde eine private Wohnsituation mit Reminiszenzen von Zeitkolorit angedeutet. Mit der Kontrastierung einer Nibelungensammlung zwischen den Polaritäten „öffentlich“ und „privat“ sollte der besondere Charakter und Reiz der darin versammelten Gebrauchsgegenstände und Sammlereditionen (collectibles) hervorgehoben werden. Am leichtesten erschloss sich die Ausstellung bei einem Rundgang im Uhrzeigersinn. In dieser Richtung ergab sich tendenziell eine Reise aus der Gegenwart in die Vergangenheit und aus der fiktiven Welt der Medien in die greifbare Realität der Zier- und Gebrauchsgegenstände.
Eine Fortsetzung fand diese Ausstellung zeitgleich im Nibelungenmuseum Worms. Das Medienlabor des Nibelungenmuseums präsentierte als externe kinematographische Abteilung u. a. die Aushangfotos zu dem populären Kinozweiteiler „Die Nibelungen“ (1966/1967) in der Regie von Harald Reinl (Erster Teil: „Siegfried von Xanten“; Zweiter Teil: „Kriemhilds Rache“). Die umfangreiche Folge dieser Szenenfotos gestattete als einzige Station der Ausstellung einen Überblick über das Handlungsgeschehen des gesamten Schicksals der Nibelungen.



Gefäße, Steingut

Die Nibelungensage ist ein beliebtes Motiv für Zierkrüge. In ornamental gerahmten Bildfeldern finden sich vornehmlich Schlüsselszenen aus dem ersten Teil des Nibelungenlieds. Die Bildszenen heben sich zumeist in flachem Relief und durch leuchtend bunte Farbglasuren von einem dunklen Grund ab. Zahlreiche Krüge besitzen einen mehrfach gestuften und reich verzierten Deckel aus Zinn.
Wie das „Standbild“ einer nostalgischen Bühnenszene mutet „Siegfrieds Abschied von Kriemhild“ auf dem konisch geformten, schlanken Zierkrug an. Der mit „germanischem“ Flügelhelm, Jagdhorn und Schwert ausgerüstete Held löst sich bereits durch seine Körperdrehung aus der Umarmung der königlichen Gemahlin Kriemhild, um seinem tödlichen Schicksal entgegenzugehen. Im Hintergrund erscheint ein Ausschnitt des Königspalastes der Burgunder zu Worms in der Manier einer historistischen Bühnenkulisse. Der sentimentalische Charakter der Szene ist unverkennbar.

Fotos (Ausstellungskatalog): Brigitte Stephan, Weimar

In Gewandung und Figurenauffassung bestehen Übereinstimungen mit dem Fresko „Siegfried und Kriemhild“ (1831) von Julius Schnorr von Carolsfeld (1794 - 1872) aus der Münchener Residenz, hinsichtlich der Komposition gibt es Analogien zu dem Grafikzyklus „Nibelungen“ von Peter von Cornelius (1783 - 1867) (Zyklus: 1812-1821).

Bild 5
Bild 6
Bild 7

(Bild 5) Zu den beliebtesten Bildszenen zählt die heimtückische Ermordung Siegfrieds an der Quelle. Wie bei den übrigen Motiven des Steinguts herrscht auch hier eine eher märchenhafte als dramatische Darstellungsweise vor: Die malerischen Elemente der Waldesumgebung sind mit Liebe fürs Detail ausgeführt. Die Flächenornamentik und das jugendstilerprobte Lineament sorgen für eine Harmonie, die das dramatische Thema auf befremdliche Weise verharmlost und die Grenze zu naiver Malerei streift.
(Bild 6) Durch deutsche Eichen traulich geschieden begegnen uns in einem anderen Bierkrug drei Motivfelder, deren zwei rein dekorativen Charakter besitzen und zwei Burgen zeigen, unter denen Spruchbänder gespannt sind. Diese Banderolen verheißen eine wackere Trinkmoral, indem sie munter verkünden: „Froh beim Bier - das loben wir“. Die zärtliche Umarmung Siegfrieds mit der Walküre schickt sich nun gar nicht zum späteren Brautwerber Brunhilds und verweist ebenso wie der hoch aufragende Flügelhelm auf die Komplikationen der nordischen Sagentradition. Solche Szenen wirken genrehaft und passen so zu dem gutbürgerlichen Umfeld, dem sie angehören.
(Bild 7) Bei dem glasierten Krug geraten wir zu Zeugen wie frei nach Ludwig Uhland „Jung-Siegfried wacker den Lindwurm erschlägt“. Wie weiland Herkules mit der Keule drischt der Held auf den grässlich die Zähne bleckenden Drachen ein, der noch eben an den Gebeinen seines letzten Opfers genagt hat. Angesichts des Darstellungsmodus, der der Machart gründerzeitlicher Kinderbücher und Buchillustrationen nahe steht und in Anbetracht der putzigen Nibelungen-Zwerge und des tarnbekappten Recken erscheint die Nibelungensage hier wie eine Märchenwelt zwischen Rotkäppchen und Schneewitchen.

Wer den halben Liter verkostet hat, den jener schmucke Krug fasst, der glaubt schließlich sogar daran, dass dieser Siegfried - nomen est omen - siegreich aus diesem Streit hervor geht.

Im Sinne der klassischen Jugendstilkunst auf die Zeichnung reduziert, präsentieren sich Siegfried und die nordische Amazone in „Brünnhilden’s Erweckung“. Zwar geht auch der Drachenbezwinger vor der Schönen in die Knie, jedoch hat diese bereits längst die Waffen gestreckt und signalisiert durch ihre labile Schräglage Hingabebereitschaft, während das Schwert an Siegfrieds Seite einer phallischen Konnotation durchaus nicht zu entbehren scheint. Anrührend wirkt die Begegnung der beiden edlen Wilden, die qua Natur füreinander bestimmt scheinen und sich doch tragisch verfehlen.




Gefäße aus Zinn

Schier unübersehbar ist das Angebot an Trinkgefäßen aus Weißmetall mit Nibelungenmotiven. Becher, Kelche und Krüge der verschiedensten Größen sowie Kannen zeigen in leicht erhabenem Flachrelief die entscheidenden Stationen der Nibelungensage. In der Wiedergabe werden die dramatischen Motive wie „Drachentod“, „Ermordung Siegfrieds“ und„Hortversenkung“ favorisiert.
Nicht zuletzt einer pseudo-mittelalterlichen Anmutung und rustikalen Wirkung zuliebe erfreut sich Weißmetall und namentlich Zinngeschirr mit Nibelungen-Motivik einer besonderen Beliebtheit.

Dem relativ knappen Durchmesser und damit begrenzten Bildfeld ist hier nun die Tatsache geschuldet, dass der breitbeinig stehende Hagen den wehrlosen Siegfried aus allernächster Nähe steil von oben aufspießt. Diese Technik muss er von den Indianern beim Fischejagen oder von den Eskimos beim Harpunieren erlernt haben. Wer löst das Suchbild und entdeckt den feige im Laubwerk versteckten König Gunther?

Hagen ist überhaupt einer der beliebtesten Protagonisten populistischer Nibelungen-Darstellungen und die Gemüter des Volkes bewegt von jeher das Rätsel um den Verbleib des Nibelungenhortes.Jenen sagenhaften Schatz versenkt der brave Vasall bei Lochheim im Rhein und bedient sich hierzu eines Kahnes von der erstaunlichen Größe einer Nussschale, die noch dazu in abenteuerlicher Weise optisch verkürzt ist und jäh nach hinten fluchtet.

Detail aus Bild 11 (oben rechts)

Während der Held dem kostbaren Geschmeide einen wehmütigen Blick in die Fluten hinterher schickt, wiegt er bereits die nächste Ladung zärtlich auf der Schütte seines Schildes als wär’s ein Wickelkind in seinen Armen. Damit auch der eifrigste Sammler und Hüter eines privaten Nibelungen-Hortes nie genug Schätze anhäufen kann, haben die Spezialfirmen ganze Service und Serien mit Nibelungen-Bildern aufgelegt.

Becher, Kelche und Krüge in altertümelnder Formgebung existieren in den verschiedensten Größen und präsentieren in erschöpfender Konsequenz die ewig-gleichen Nibelungen-Klassiker „Drachenkampf“, „Blutbad“, „Hortversenkung“ etc. Dabei fällt auf, dass beim Weißmetall im Unterschied zum Steingut romantische Liebesszenen kaum auftreten. Stolze Wikingerschiffe und vollmundige Serientitel wie „Heldensage“ künden bereits davon, wo die Reise hingeht und welcher Ton angeschlagen wird.

Becher mit der Anfangsstrophe des Gedichtes „Siegfrieds Schwert“ (1812)
von Ludwig Uhland


Der Becher trägt als umlaufende Schrift die zweizeilige Anfangsstrophe des Gedichtes „Siegfrieds Schwert“ (1812) von Ludwig Uhland (1787-1862): „Jung Siegfried war ein stolzer Knab, ging von des Vaters Burg herab“. Weitere Gedichtstrophen werden von den Reliefs illustriert, welche Siegfried als Schmied sowie beim Bade im Drachenblut zeigen. In der prominenten Darstellung Siegfrieds vor Brün(n)hild(e) in der flammenden Waberlohe verlässt die Bildfolge unvermittelt Uhlands Gedicht und bezieht sich auf Richard Wagners Musikdrama „Die Walküre“, 3. Aufzug bzw. wie dieses auf die nordische Überlieferung der Edda.

Wer sich schon immer gerne von den Helden des Nibelungenliedes eine Scheibe abschneiden wollte, der sieht sich bei den Zinntellern mit den Konterfeis Siegfrieds und Hagens getäuscht, denn es handelt sich dabei um reines Ziergeschirr.
Wie gute alte Eheleute beäugen die beiden Gegenspieler einander im klassischen Seitenprofil und bei dem drohenden Blick und dem herausfordernd vorgereckten Kinn Hagens mag Siegfried beileibe nichts Gutes „schwanen“. Die Reliefbilder bleiben in ihrer Ausarbeitung grobschlächtig und derb, wie die Heroen tumb und lächerlich kostümiert scheinen. Demgegenüber überzeugt weit eher die Komposition mit Siegfrieds Drachenkampf. Hier begegnen sich Lindwurm und Drachentöter in dynamischem S-Kurven-Schwung und folgen damit der vorgegebenen Kreisform des Tellerrandes.



Gefäße aus Glas


Seltener finden sich dagegen Gläser wie dieses mit einer in Sandstrahl-Technik gestalteten antikisierend gewandeten und solcherart gewappneten „Brünhilde“.
Verschlungene Pflanzenornamentik umspielt hier eine „nordische Athena“, der das Material Glas eine an das Eis Islands gemahnende Anmutung verleiht.




Zierteller aus Porzellan

Zu Ehren des 100. Todestages des Komponisten Richard Wagner (1813-1883) legte die Firma Hutschenreuther eine vierteilige Porzellankunstserie aufwändig gestalteter Zierteller auf. Jeder Porzellanteller repräsentiert eines der Musikdramen des vierteiligen Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“ („Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“). Den künstlerischen Entwurf besorgten Charlotte und William Hallett.


Rheingold, Die Walküre, Siegfried (als Drachentöter) und die Götterdämmerung

Der Zierteller mit dem Titel „Das Rheingold“ bildet den Auftakt der Serie und zeigt die erste Szene der Wagner-Oper. Der zwergenhafte Alberich kauert auf einem Felsvorsprung und beäugt von dort aus mit begehrlichem Blick das muntere Spiel der drei Rheintöchter. Wellgunde, Woglinde und Floßhilde hüten das Rheingold, das erst dann zu einem bedrohlichen Machtinstrument werden kann, wenn sein Besitzer der Liebe abschwört und einen Ring daraus schmiedet. Eben dies geschieht dann durch den hässlichen Schwarzalben, der nach seiner Zurückweisung durch die Rheintöchter der Liebe entsagt, das Gold raubt und die Zauberkraft des Ringes missbraucht.
Mit feenhafter Grazie schweben die drei „Nixen“ selbstvergessen empor, während der Gnom mit seiner kauernden Haltung, dem schwarzbraunen Inkarnat und der plastischen Körperdarstellung von den bleichen ätherischen Wesen absticht, so dass hier deutlich zwei unversöhnliche Welten aufeinander treffen.


Prunkkerze

Des Sammlers ganzen Stolz verkörpert eine über sechzig Zentimeter hohe kolorierte Prunkkerze. Auf der Rückseite zeigt sie den Ritt eines Helden nach Walhall und darüber Kriemhilds Falkentraum.

Prunkkerze

Bildmotive: 
"Falkentraum"
"Ritt nach Wallhall"
"Siegfrieds Tod"
Wachs, Höhe 61 cm






Auf der Vorderseite rammt Hagen hinterrücks den Speer in Siegfrieds Schultern, der sich seinerseits mit dem Habit eines Hermann der Cherusker im deutschen Eichenwald über ein Bächlein beugt, derweil sein Lebensquell für immer versiegt. Wie eng Tod und Leben beieinander liegen und dass Eros und Thanatos gute Verwandte sind, zeigt Siegfrieds Leidensmiene, deren Ausdruck auf seltsame Weise zwischen schmerzvoller und lustvoller Erlösung oszilliert. Die Kerzenmotive bestechen durch ein plastisch ausgeformtes Hochrelief mit komplizierten und fragilen Hinterschneidungen.


Dosen und Behältnisse

Als publikumswirksamer, szenenreicher Stoff ist die Nibelungensage bis heute häufig auf Lebensmittelbehältern und Zierdosen wiedergegeben worden. Darunter finden sich Lebkuchen- und Keksdosen, Bonbonnieren und Schmuckschatullen. Die Ausgestaltung reicht von geprägten und gestanzten Blechen bis hin zu bunten Farbaufdrucken.

Mit Anklängen an Art-deco-Schmuck und an die konturenbetonte Liniengestaltung des Jugendstils ist das Schmuckkästchen allseitig mit Figurenszenen aus dem ersten Teil des Nibelungenliedes verziert. Der in drei Motive unterteilte Deckel zeigt im Zentrum Siegfried vor dem Drachenkampf und als Nebenszenen Hagen bei der Hortversenkung (links) und die Ermordung Siegfrieds (rechts).

Schmuckkästchen mit Nibelungenmotiven


Die beiden Längsseiten geben passgerecht die Trauer Kriemhilds vor dem Leichnam Siegfrieds wieder und die Schmalseiten tragen die Szene des Bades im Drachenblut. Figuren, Beiwerk und Ornamentik stehen in warm leuchtendem Gelbmetall vor schwarzem Grund, so dass die Konturen ebenso wie die Binnenzeichnung in starkem Hell-Dunkel-Kontrast gegenüber dem Fond hervortreten. Die Formgebung ist von einem kantigen, holzschnittartigen Charakter.


Bücher und Comics

Seit dem Erscheinen des ersten „Sigurd“-Heftes im Oktober 1953 schrieb der „Nibelungen-Heros“ Comic-Geschichte. Bis 1968 erschienen in ununterbrochener Reihenfolge an die 700 Hefte. So bunt wie der Vierfarbendruck, mit dem in den 1950er Jahren für die spannende Actionserie geworben wurde, sind auch die Geschichten, die der Texter und Zeichner Hansrudi Wäscher um den „ritterlichen Helden“ (so der offizielle Untertitel der Reihe) frei inszenierte. Darüber hinaus existiert eine lange Reihe verschiedenster Comic-Adaptionen des Nibelungenstoffes, die nicht selten im Fantasy-Genre angesiedelt sind.
In diese Richtung tendiert eine Comic-Adaption von Richard Wagners Bühnenweihespiel „Der Ring des Nibelungen“ von Numa Sadoul (Text) und France Renoncé (Zeichnungen), deren erster Band 1982 im Pariser Dargaud-Verlag erschienen ist und im Folgejahr unter dem Titel „Das Rheingold“ auf Deutsch heraus kam. Bis 1985 folgten die weiteren Bände „Die Walküre“, „Siegfried“ und die „Götterdämmerung“, so dass der Kreis des „Ring-Zyklus“ damit geschlossen war.

Die aufwändig gestalteten Bände sind reich koloriert und zeigen häufig erotisch aufgeladene Figuren-Zeichnungen vor monochromatisch in warmen oder kalten Farbtönen gehaltenem Fond. Passend zu der anspruchsvollen äußeren Aufmachung sind die Bände in einem Schmuckschuber erhältlich, der das Sammlerherz höher schlagen lässt und den Griff zum Comic-Buch zu einem pseudo-sakralen Akt des Schauens und Vorzeigens adelt.

Nibelungen-Comic

Eine Dichtung mit dem Rang und der Bedeutung des Nibelungenliedes lädt geradezu zur literarischen Parodie ein, um den Höhenabstand zwischen dem literaturgeschichtlich kanonischen Epos und der satirischen Neufassung in regional geprägter Mundart oder sozial definiertem Jargon auszukosten und auf ironische Weise Zeitkritik anzubringen.
Rundfunk- und Fernsehmitarbeiterin Uta Claus legte Mitte der 1980er Jahre zusammen mit dem bekannten Cartoonisten Rolf Kutschera die wohl bislang respektloseste Nibelungenlied-Version vor. Der Verlauf der Originalhandlung wird dabei weitgehend eingehalten, allerdings durch die Verwendung von Analogien, die nur aus der jüngeren Zeitgeschichte verständlich sind, erheblich erweitert. Diese Parodie richtet sich an ein junges Publikum und benutzt eine Sprache, die ausschließlich aus dem Szenenjargon moderner Jugendkultur besteht.

Das gewöhnungsbedürftige Vokabular ist keineswegs sparsam eingesetzt, sondern in einem erstaunlichen Übermaß.
Das Kapitel über die fatale Erstbegegnung zwischen Siegfried und Kriemhild trägt etwa den Titel „Wie Siggi nach Worms düst, um sich ein Sahneschnittchen unter den Nagel zu reißen und dabei tierisch daneben griffelt.“ Ohne Übersetzung ist dieser Soziolekt für viele Leser kaum mehr verständlich. Seinerzeit war dieser Titel ein regelrechtes Kultbuch, das auf lange Sicht aber kaum in den etablierten Literaturkanon eingehen wird.
Der fünfte Band der Abenteuer des Comic-Helden „Karl“ kreist um das „Gold der Nibelungen“ und bezieht sich nur hinsichtlich des zentralen Schatz-Motives inhaltlich auf das Nibelungenlied. Die Hauptfigur Karl wird einmal ausdrücklich als „Jung-Siegfried“ tituliert.

Nibelungen-Comic

Es gibt einige parodistische Zeitbezüge, die bis in die jüngere Gegenwart reichen. So reitet Karl auf einem schnellen italienischen Rennpferd, dem „Pferrari“ seiner Freundin, nach Frankfurt zu Goethe. Auf dem Weg legt er einen Boxenstop bei Michael Schumacher ein. Das Bankenviertel in Frankfurt wird mit aufgestellten Sitzbänken dargestellt. Kinder, die Fußball spielen, tragen Frankfurter-Eintracht-Trikots. Es wird aktives, „modernes Marketing“ zu Ehren des 1000 jährigen Bestehens der „Mainmetropole“ betrieben. - Eine humoristische, nicht virtuos, aber liebevoll gezeichnete Version der ewigen Suche nach dem Nibelungen-Schatz.


Kassetten und CDs

Musikkassetten waren lange Zeit der führende Tonträger für den mobilen Einsatz. Bei den Kassetten zur Nibelungen-Thematik nehmen die Hörbücher breiten Raum ein, da diese epischen Versionen lange Hörzeiten beanspruchen und dabei bequem auf mehrere Kompaktkassetten verteilt werden konnten, die bei Bedarf auf unkomplizierte Weise transportiert oder gleich unterwegs in einer Reihe gehört werden konnten.

Kinderversionen wie das Hörspiel „Der Schatz der Nibelungen“ von Karlheinz Koinegg dürfen keineswegs als „Kitsch“ gelten, sondern können allenfalls der Popularkultur einer breiten Zuhörerschaft zugerechnet werden. Paula und Pit unternehmen eine Schifffahrt im Ausflugsdampfer auf dem Rhein. Ihre Tour führt sie zur Nibelungenhalle und zum Drachenfels. Kaum hat sich ihre Enttäuschung über den dort gezeigten Gipsdrachen gelegt, erscheint der Götterbote Loki, der die beiden Freunde auf eine Reise mitten hinein in die Nibelungensage entführt, wobei sie das Geheimnis des sagenumwobenen Schatzes erfahren. Es erweist sich immer wieder, dass die meisten populären Fassungen des Nibelungenstoffes mit den herrschenden Stereotypen und Klischees wie dem unverwundbaren Helden oder dem allgegenwärtigen Schatz-Motiv arbeiten.

Auch die Laserdisk dreht sich zu einem beachtlichen Teil um die Sagenwelt der Nibelungen. Dabei handelt es sich sowohl um aus veralteten Medien „übernommene“ Neuauflagen wie um Erstproduktionen.

Nibelungen-CDs

Ausgeprägte Charaktere und einprägsame Heldengestalten sowie ein spannungsreicher und dramatischer Handlungsverlauf machen speziell das Nibelungenlied attraktiv für freie Nachdichtungen und Vertonungen für die verschiedensten Alters- und Zielgruppen. Der lebendige mündliche Vortrag des Epos im Mittelalter wird in modern-vereinfachter Form für Hörspielbearbeitungen und Hörbuchfassungen verschiedensten Anspruchniveaus aufgegriffen.
(Ohne Bild: Kat.-Nr. 149, „Der Fluch der Gargoyles“) Endlich hat das Rätselraten um den Verbleib des Nibelungenschatzes ein Ende, nachdem der Forscher Professor Engholm fündig geworden ist. Die Freizeit-Redakteure Cody, Alex und Olli begeben sich unverzüglich nach Worms, um in ihrem Internet-Forum www.mystery-and-crime.de über den „sagenhaften“ Fund zu berichten. In der Nibelungenstadt stellt sich heraus, dass seltsame Gargoyles dort ihr Unwesen treiben und so kann es nicht ausbleiben, dass der Hort sogleich als gestohlen gemeldet werden muss. Zwar bietet die Geschichte eingangs eine lohnende Zusammenfassung der Nibelungen-Sage, aber diese Kenntnisse nützen nur wenig zum Verständnis um den Fluch der unaufhörlich gröhlenden und befremdlich brüllenden Gargoyles.


Gesellschaftsspiele

In freier Ausdeutung des Nibelungenstoffes untertitelt Autor Wolfgang Kramer sein Brettspiel „Nibelungen“ mit „Das spannende Spiel um Helden, Riesen und Schätze“. Der Schöpfer populärer Unterhaltungsspiele wie „El Grande“, „Tikal“ oder „Torres“ wurde mehrfach mit dem Preis „Spiel des Jahres“ ausgezeichnet. Sein Nibelungenspiel war allerdings nicht so erfolgreich. In diesem Brettspiel für zwei bis fünf Spieler geht es um den Nibelungenhort. Die Geschichte setzt ausgerechnet dort ein, wo das vorbildgebende Nibelungenlied selbst endet. Neben den verschiedenen Sagenquellen sind die Spielideen auch von Wagners „Ring“ inspiriert. Der von Hagen im Rhein versenkte Schatz wurde der Spielhandlung zufolge von Riesen gefunden und bewacht. Verschiedene Königshäuser, die von den einzelnen Spielern vertreten werden, versuchen, diesen Schatz in ihren Besitz zu bekommen und erobern ihn Stück für Stück. Sieger wird, wer die meisten Schatzanteile erspielen kann. Eingebunden in das Spiel sind mannigfache Elemente aus dem mittelalterlichen Original: Tarnkappe, Drachenblut sowie das Schwert Balmung verleihen magische Kräfte. Mit Taktik und Glück gelangt man schließlich ans Ziel. Die Wettbewerbssituationen sind pädagogisch entschärft, indem sich die Spieler nicht direkt gegenseitig bekämpfen.


Filme, Kinoplakate, Gesellschaftsspiele und Puzzles

Mitte der 1960er Jahre machten in der Verfilmung durch den Regisseur Harald Reinl „Die Nibelungen“ mit dem gleichnamigen Kino-Zweiteiler Filmkarriere. Anders als die künstlerisch ambitionierte, klassische Stummfilmfassung Fritz Langs ist der Film von Harald Reinl, der zu dieser Zeit mit den Karl May-Verfilmungen höchste Popularität genoss, durchaus (wie auch von der Kritik damals geschehen) als „Kitsch“ zu bezeichnen. Der Film beginnt stimmungsvoll mit einem an das Nibelungenlied angelehnten Prolog, und diese anmutig gereimten Verse begleiten den Zuschauer durch die gesamte Film-Handlung. Dieses aus kommerzieller Sicht ungewöhnliche Verfahren beweist, dass es bei dem für deutsche Verhältnisse ausgesprochen aufwändigen Film nicht einfach darum ging, auf rationelle Weise ein B-Movie abzudrehen.

Die neue Verfilmung richtete sich gezielt an ein Jugend- und Familienpublikum. Mit wirkungsvoll eingebundenen Naturaufnahmen aus Jugoslawien und Island wollte man sich durchaus an Hollywood messen. Der erste Teil „Siegfried von Xanten“ ist äußerst farbenfroh, der zweite Teil „Kriemhilds Rache“ fällt dagegen der dramatischen Handlung entsprechend deutlich kühler aus.
Mit populären Darstellern wie dem Olympioniken Uwe Beyer (Siegfried) und den Schauspielern Karin Dor (Brunhild) und Terence Hill (Giselher) avancierten die Burgunder zu „sagenhaften“ Stars der Medienwelt. An diesem Aufmerksamkeitserfolg partizipierten die Hersteller von Merchandise-Artikeln, für die ein Gesellschaftsspiel mit Filmmotiven stellvertretend steht: „Die Nibelungen: Siegfried / Kriemhilds Rache.

Filmplakat: "Die Nibelungen" von Harald Reinl


Das Spiel zum zweiteiligen Farbfilm-Epos von Harald Reinl“ (Kat.-Nr. 207, "Die Nibelungen") erscheint für die Ansprüche eines heutigen Spielers wenig fesselnd. Das Lagespiel à la „Lotto“ ist aber für Nostalgiker immerhin reizvoll und bietet zusätzlich einen Lerneffekt, da die Sage mit ihren wichtigsten Episoden noch einmal ins Gedächtnis gerufen wird.
Beim Film-Puzzle (Kat.-Nr. 50 und 51) trennt sich die Spreu vom Weizen und der echte Nibelungenfilm-Kenner kann seine ganzen Kenntnisse einbringen. Dabei offenbaren sich zugleich unsere kollektiven und individuellen Klischees von den Nibelungen, wenn unsere Vorstellungsbilder nicht immer mit den Filmstills zur Deckung kommen.
Anknüpfend an den Opernstoff der Wagner-Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ entwickelt das Science-Fiction-Adventure des gleichnamigen Computerspiels aus dem Jahre 1998 eine eigene Dynamik. Am Vorabend des vierten(!) Jahrtausends besteht die gute alte Erde eben nicht mehr. Außerirdische beherrschen das Universum. Der Spieler schlüpft in die Rolle des Helden Ish, der seine Freiheit zurückerkaufen will, indem er zur Belustigung der neuen Weltherrscher Wagners „Ring“ aufführt. Das nicht-lineare Multi-Role-Gameplay gestattet das Lenken von vier verschiedenen Hauptakteuren. Der Spieler feiert ein Wiedersehen mit Alberich, Loge, Siegmund und Brünnhilde. Wer die sechs Spieluniversen dieses Fantasy-Abenteuers durchlebt hat, weiß immerhin um den Fantasie- und Motivreichtum des stets wandlungsfähigen Nibelungenmythos. Einen zusätzlichen Reiz verspricht die deutschsprachige Synchronstimme von Senta Berger als Erda.
Im Jahre 1976 kam der Zweiteiler „Siegfried“ bzw. „Kriemhilds Rache“ von Harald Reinl in einer gekürzten Gesamtversion unter dem Titel „Die Nibelungen“ abermals in die Kinos. 1982 startete diese komprimierte Fassung von 110 Spielminuten unter dem reißerischen Titel „Das Schwert der Nibelungen“.
Das Zweite Deutsche Fernsehen strahlte 2002 erstmals eine sorgfältig restaurierte und im originalen Cinemascope-Format (1:2,35) rekonstruierte Fassung aus. Diese liegt seit 2003 in einer Doppel-Edition als DVD vor, die mittlerweile als rares Sammlerstück gehandelt wird. Der restaurierte Ton kann wahlweise in originalem Mono als auch in einer behutsam angereicherten digitalen Dolby-Version genossen werden, welch letztere mit klangvollen Raumeffekten besticht, die beispielsweise den isländischen Geysiren zu machtvoller Präsenz verhelfen. Darin gelangt auch Rolf Wilhelms opulent komponierte Filmmusik zu voller Wirkung.
Das Bonusmaterial bietet ein Interview mit Dieter Eppler, dem Darsteller des Markgrafen Rüdiger, sowie Kinotrailer zu den ursprünglichen beiden Teilen und zur Wiederaufführung 1976. Eine Bildergalerie lässt die Filmplakate und Aushangfotos der Wormser Ausstellung Revue passieren. 1993 wurden Videofassungen der ersten beiden Teile getrennt erhältlich. 2003 erschien parallel zu der DVD-Edition eine Videokassette der zusammengeschmolzenen „Schwert-Fassung“.

Regisseur Adrian Hoven ist besser bekannt als Schauspieler aus Machwerken der verschiedensten Gattungen. Regie führte er nur in wenigen Filmen und sein Werk „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ ist seine einzige Regiearbeit auf dem Sektor Erotik. Erfahrung sammelte er immerhin mit Horrorfilmen wie „Hexen bis aufs Blut gequält“ oder „Hexen - geschändet und zu Tode gequält“. Einigermaßen verwundert nimmt man die Besetzungsliste der „sagenhaften“ Nibelungenverfilmung zur Kenntnis, die durchaus anerkannte Darsteller verzeichnet.

„Siegfried und das lustige Liebesleben der Nibelungen“
Erotikfilm aus dem Jahr 1970 mit Raimund Harmsdorf

Raimund Harmsdorf war seinerzeit beim Fernsehpublikum geschätzt als Hauptdarsteller von Vierteilern wie „Der Seewolf“ oder „Michael Strogoff“. Während er als Weltreisender mit bloßer Faust eine rohe Kartoffel zerquetschte und die Zuschauerschaft verblüffte wie der Telepat Uri Geller, stemmt er auf dem Filmplakat als wackerer Weiberheld Siegfried eine stramme nackte Kriemhild als Trophäe breitbeinig empor. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass der athletische Strahlemann an Parkinson erkrankte und auf tragische Weise 1998 Selbstmord verübte. Der Schauspieler Peter Behrling agierte immerhin für Rainer Werner Fassbinder und produzierte sogar Filme für diesen Ausnahme-Regisseur. Inzwischen hat er sich vom Filmgeschäft zurückgezogen und tritt als Bestseller-Autor mit Titeln zur mittelalterlichen Grals-Sage an die Öffentlichkeit. Weitere Akteure stammten hingegen aus dem Soft-Porno-Milieu und bürgten damit für Qualität. Sybil Danning immerhin hatte einschlägige Erfahrungen aufzuweisen aus deutschen Sex-Komödien wie „Schulmädchen-Report“ und Werner Kraus brillierte seinerzeit in „Lass jucken, Kumpel“. Als Erotikfilm machen Siegfried und die Seinen allerdings recht wenig her und mit dem sagenhaften Liebesleben der Nibelungen hat es kaum mehr auf sich als das ausgelassene Herumhüpfen meist weiblicher Nackedeis auf den grünen Auen und Fluren um die Burgunderstadt Worms. Die Videoversion ist leider nicht mehr verfügbar und eine DVD bleibt bis heute ein Desiderat. Nostalgiker suchen mitunter bei Internet-Anbietern eine Super-Acht-Heimversion, um die Nibelungen-Erinnerungen ihrer Schulzeit wiederaufleben zu lassen und ihrer Ehe für die Dauer einiger Filmminuten die Frische junger Blüte zurückzuschenken.
Die in Vinyl gepresste Langspielplatte (LP) ist aus den Kinderzimmern der 1960er bis 80er Jahre ebenso wenig wegzudenken wie Siegfried, der Drachentöter oder der Nibelungenschatz. Den Löwenanteil stellen hierunter die Hörspielbearbeitungen von Jugendbüchern zu dem beliebten Sagenstoff, der durch die Rollen- bzw. Stimmenverteilung und durch Stereoaufnahmen an Lebendigkeit und Abwechslung gewann.
(Außer Katalog:) Unter dem übergreifenden Titel des Kino-Zweiteilers „Die Nibelungen“ von Harald Reinl erschien erst 1980 die Original-Filmmusik von Rolf Wilhelm, der bei der Einspielung der Aufnahme auch dirigierte. Die Begleitmusik, komponiert für ein 80-köpfiges Symphonie-Orchester, vermittelt auch ohne die Visualisierung des Films treffend die dramatische Stimmung der Nibelungensage.
Die Komposition ist eines der seltenen Beispiele dafür, dass es zu damaliger Zeit auch in Deutschland möglich war, hervorragende sinfonische Musik für den Film zu schreiben. Da die Originalbänder bei weitem zu umfangreich waren, wurde nur der Soundtrack zum ersten Teil der Filme herangezogen und nochmals stark gekürzt.
Mit dieser Langspielplatte, die durch private Hand finanziert und herausgegeben wurde, lag nach 14 Jahren die Filmmusik erstmals zum gezielten Hörgenuss vor. Weder damals (1980) noch zur Entstehungszeit ist Wilhelms Musik für die deutschen Schallplattenfirmen von besonderem Interesse gewesen.

Fotos: Brigitte Stephan, Weimar
Leihgeber: Gerhard Binder, Worms; Klaus Düwel, Göttingen; Andreas Grünwald, Weimar; Norbert Hethke-Verlag, Schönau; Arno Willig, Worms