Otto Höfler & Bernhard Kummer

Nibelungenforscher
im NS-System

von Volker Gallé

.....
Franz von Stuck, Der Nibelungen Not, um 1920 ..


Um 1958 ist im Verlag der „Forschungsfragen unserer Zeit“ Gisela Lienau in Zeven, einer Kleinstadt zwischen Hamburg und Bremen, eine 28 Seite umfassende Broschüre von Bernhard Kummer unter dem Titel „Gefolgschaft, Führertum und Freiheit – Vom Grundgesetz der Demokratie in alter Zeit“ erschienen. Der 1954 gegründete Verlag bestand bis 1964 und Kummer war bis zu seinem Tod 1962 nicht nur Autor, sondern auch Schriftsleiter des Verlages. Die Ausgaben 1 und 2 der Forschungsfragen 1963 waren Gedenkschriften für Kummer und enthielten die Bibliografie seiner Werke. Im Stichwortverzeichnis des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, das seit 1987 Publikationen des rechten Lagers sammelt und bearbeitet, ist der Verlag belegt mit den Stichworten „Ludendorffer, Edda, Germanenforscher, nordische Blätter, nordische Stimmen.“
Zurück zur Broschüre von 1958. Es heisst dort auf den Seiten 7 und 9, die Zitate sind gekürzt: „Man hat einen folgenschweren Gegensatz zwischen Gefolgschaftsethik und Sippenethik konstruiert. Das hat dazu geführt, uns im Namen der germanischen Tradition eine uns nicht gemäße, ja schädliche Preisgabe anderer Bindungen zugunsten eines Führerglaubens, der blind machte, zu emfpehlen. Es heißt das also: „Sippe ist Hemmnis der Kultur, Gefolgschaft Fortschritt. Nicht das Blut schuf sie, sondern der Wille.“ Der Germanist setzte hier also die Blutsbindung in Gegensatz zu dem in Gefolgschaften tatenlustig zusammenfindenden Streben. Er stellte dem Bauerntum, das doch mit dem ganzen Herzen den Söhnen in die Welt der Taten folgte und die Lieder von den großen Führern und Taten liebte, ein von dem Hemmnis der Sippe gelöstes, in ganz neue Ordnung gebundenes Gefolgswesen gegenüber, das dne Fortschritt der Kultur bestimmte. Kultur ist danach Folge der Loslösung Einzelner aus der Gemeinschaft, die sie geboren hat, zugunsten eines neuen Ordens. So muß nun auch das Eingehen in diesen neuen Orden als eine Umwandlung des einzelnen erfasst werden. Der Aufzunehmende müsste dann jeweils umgeschult, schmerzlich losgerissen und neu gebunden worden sein, um eben nun „die andere Seite“ des Lebens zu betreten. Jener Durchgang und Übergang wird nun aus einer Art magischen Zaubers erklärt, der die überragende Gestalt eines großen Führers auf die jungen, ehrgeizigen Männer ausübt, die sich ihm selbstvergessen anheimgeben, wobei bisweilen eine erotische, also dem Homosexuellen sich nähernde Note beigemischt wird. Nach diesem seltsamen Vorgang hätte sich dann nach eigenen Gesetzen über dem Volk die „Elite“ einer Kriegerschar Odins gebildet, die schließlich zu einem Kult und Staat beherrschenden Geheimbund wurde. Alle „Geschichte“ wird dann diesen Bünden verdankt, oder, wie es heißt: „der Zirkulation von Führern und Eliten“, statt, wie wir meinen möchten, dem großen, spannungsreichen Zweiklang zwischen Volksgemeinschaft und großer Persönlichkeit im Volk. Ich behaupte: Seit der Verkündung dieser und ähnlicher Ansichten gab es für unsere Zeit keine bedeutsamere Streitfrage als diese.“
Gegen welchen Anonymus schreibt Kummer hier an. Sein Gegner ist der Germanist und Skandinavist Otto Höfler. Wenden wir uns zunächst den Biografien und Werken der beiden Streithähne zu.

Bernhard Kummer
Bernhard Kummer (1897 – 1962) war ein Schüler des Berliner Lehrstuhlinhabers für Nordistik Gustav Neckel (1878-1940). Kummer überwarf sich mit ihm 1935, warf ihm Plagiat, also Abschreiben wissenschaftlicher Forschung, vor, fühlte sich in Wahrheit aber wohl in seiner Karriere zurückgesetzt – Neckel wurde vorübergehend, bis 1937 nach Göttingen versetzt und kehrte dann nach Berlin zurück, die Affaire verlief letztlich im Sande. Neckel war Nachfolger des Baseler Nibelungenliedspezialisten Andreas Heusler (1865-1940) auf dem Berliner Lehrstuhl und Edda-Herausgeber. Er galt als nationalkonservativ mit völkischen Neigungen. In einem Brief während der Affaire schreibt Heusler über Kummer, dieser sei ein bedenklicher „Mythologe, gezüchtet als Helfer im nationalsozialistischen Werk.“ Kummer promoviert 1927 in Leipzig mit dem Thema „Midgards Untergang – Germanischer Kult und Glaube in den letzten heidnischen Jahrhunderten“ am Institut für vergleichende Religionsgeschichte. Die Dissertation ist immer wieder als Buch aufgelegt worden, u.a. 1938, und muss als sein Hauptwerk gelten. Er stellt dem späteren Odinskult der Edda als Ausdruck einer Verfallszeit der heidnisch-germanischen Welt (Utgard) den früheren, im Ahnen- und Sippengedanken verankerten Kult des Bauerngotts Thor (Midgard) als Ausdruck einer lebendigen vorchristlichen Gemeinschaft gegenüber. Schon hier klingt der spätere Widerspruch zu Höfler an. Kummer schreibt: „Die Odinsgedichte sind Gelehrsamkeit, die Thorsgedichte sind Mythen. In der Dichtung ist nicht Odin, sondern Thor der wichtigste Gott. An dem Eindringen Odins als Verkörperung aller gefürchteten Utgardmächte wird die nordische Seele sich, um dann im großen Hospiz der katholischen Kirche Aufnahme zu finden.“(S.20) Am 1.5.1928 trat Kummer der NSDAP bei, bereits Am 31.1.1929 trat er wieder aus. Es gibt Quellen, die belegen glauben zu können, dass er 1938 in die SA eintrat. Kummer war Schriftleiter der im Leipziger „Adolf Klein Verlag“ herausgegebenen Publikation „Nordische Stimmen. Zeitschrift für nordisches Wesen und Gewissen“, die ins das Umfeld der deutschgläubigen Religionsbewegung und des nordischen Gedankens gehört und wenigstens zwischen 1931 und 1941 erschienen ist. Der Tübinger Germanist Gerd Simon schreibt: „Der nordische Gedanke war lange Zeit ein nicht in Frage gestellter Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie. Spätestens 1936 wird er eigentümlich an den Rand gedrängt, seine führenden Anhänger entmachtet. Mit der Gründung des Vierjahresplans, aus dessen geheimen Zusätzen heute klar ist, dass er ein Aufrüstungsplan für den Krieg war, wurde alles, was diesen stören konnte abgewertet. Alles Mythologische wurde heruntergefahren und als mythologisch galten weniger der Rasse- oder der Bodenbegriff, sondern vor allem das Nordische mit ihren Göttern und Göttinnen.“ (homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/hoeflereinleitung.pdf ) Rasse- und Bodenbegriff passten in die biologistische Schiene einer modernen Argumentation und waren zudem mit dem christlichen Milieu der Bevölkerungsmehrheit kompatibel. Kummers Position wurde zunächst vom Amt Rosenberg gefördert, das mit dem Ahnenerbe-Institut der SS um die weltanschauliche Deutungshoheit der NS-Ideologie konkurrierte. Er selbst arbeitete im „Thüringischen Landesamt für Rassewesen“ und wurde vom Rektor der Jenaer Universität, dem Mediziner Karl Astel (1898-1945) protegiert. Dieser war seinerseits ein Protegé von Himmler und dem thüringischen Gauleiter Sauckel. Astel war einer der führenden NS-Rassenforscher und leitete u.a. das Rassehygieneamt der Reichsführerschule der SA in München, die erbgesundheitliche Beratungsstelle des Reichs- und Sicherheitshauptamts der SS sowie das Jenaer Institut für menschliche Züchtungslehre und Erbforschung. Kummer hielt bis 1938 (homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon.nordschulz.pdf) laut einer Akte „fast 800 Schulungsvorträge vor allen Gliederungen der Bewegung einschl. SS.“ Wegen seiner Auseinandersetzung mit Höfler und führenden Personen des Ahnenerbes verzögerte sich die Ernennung zum Professor in Jena bis 1942/43. Nach 1945 taucht er – mit Professorentitel – als Schriftleiter des bereits genannten Verlages „Forschungsfragen unserer Zeit“ auf. Zu seinen weiteren Veröffentlichungen gehören „Die weibliche Gottheit bei den Germanen“ (1933), „Vom Sinn und Wahnsinn des Krieges“ (1934), „Germanenkunde im Kulturkampf“ (1935), „Nordisches Lebensgefühl“ (1935), „Gott in Waffen“ (1937), „Brünhild und Ragnarök. Die Gestaltung der isländischen Brünhilddichtung aus dem Erlebnis des Glaubenswechsels“ (1950), „Die Lieder des Codex regius (Edda) und verwandte Denkmäler“ (1959-61). Kummers Schriften wurden später nicht mehr aufgelegt. In der Wissenschaft wird er im Rahmen der Analyse der völkischen Religionswissenschaft kritisch behandelt – der Religionsphilosoph Hermann Mandel (1882 – 1940), zunächst ev. Theologe, dann Propagandist des „Deutschen Gottglaubes“ (1934) war sein Parteigänger -, in der Germanistik und Skandinavistik spielt er keine Rolle. In der neuheidnischen Szene greift man eher auf den von dne Männerbündlern in der SS nach 1936 ausgebooteten Ahnenerbe-Gründer Hermann Wirth zurück, der – stärker als Kummer - die Matriarchatstheorien des 19. Jahrhunderts im völkischen Sinne weiterentwickelt hat und damit in die Themenlandschaft der sozialen Bewegungen nach 1968 passt. Kummers Bauerntumsideologie hielt sich nur in diesem, gesellschaftlich auf dem Rückzug befindlichen Umfeld, bzw. im engeren Kreis der rechtsextremen, nordisch-deutschgläubigen Bewegung der Gegenwart. So wird z.B. auf seine Auffassung von der Sippenseele 2005 in der Zeitschrift „Nordische Stimmen“ der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft“ Bezug genommen. Deren Schriftleiter ist der rechtsextreme Multifunktionär Jürgen Rieger, der u.a. an der Organisation der Rudolf-Hess-Gedenkmärsche in Wunsiedel beteiligt ist und 2004 das Vorwort zur zweiten russischen Auflage der Rassenkunde von ans Fk. Günther verfasst hat. (siehe wikipedia). Derzeit betreibt er den Erwerb eines Hotels in Delmenhorst für die „Wilhelm-Tietjen-Stiftung“.

Otto Höfler
Otto Höfler (1901-1987) studierte nach dem Abitur in Wien Germanistik, Skandinavistik und Philosophie in Wien, Lund, Kiel, Marburg und Basel. Er war ein Schüler des Germanisten Rudolf Much (1862-1936), dessen Wiener Lehrkanzel er nach dem Krieg auch übernehmen sollte. Much und sein Vater Matthäus, ein Archäologe und Urgeschichtler, standen der deutschnationalen und antisemitischen Bewegung Georg Ritter von Schönerers nahe. Aus Muchs Schule sind eine Reihe von Lehrenden mit NS-Ideologien hervorgegangen. Höfler trat bereits als Student in Wien der SA bei (1922 – 1923/24) und nach deren Auflösung der nationalsozialistischen Ordnertruppe (OT). Er promovierte 1926. Von Mai bis August 1928 arbeitete er als Assistent beim Deutschen Sprachatlas in Marburg, danach bis Januar 1935 als Lektor für deutsche Sprache an der Universität Uppsala in Schweden, daneben auch als Dozent in Wien. 1934 erschien sein Hauptwerk „Kultische Geheimbünde der Germanen“ (Habilitationsschrift). 1935 erhielt er eine Professur in Kiel – zu diesem Zeitpunkt beantragte er erneut die Mitgliedschaft in der NSDAP (Anwärterkarte 55904) - , 1938 wechselte er auf einen Lehrstuhl für germanische Philologie und Volkskunde in München. 1939 veröffentlichte er „eine antisemitisch rassistische Denunzierung des Literaturwissenschaftlers Friedrich Gundolf“ (siehe P.Wiesinger/D.Steinbach, 150 Jahre Germanistik in Wien, 2001), die in seinem Schriftenverzeichnis von 1961 fehlt. Ab 1943 war daneben Leiter eines Auslandsinstitut in Kopenhagen – Norwegen war von NS-Deutschland besetzt -; dieses Institut wurde von dänischen Wissenschaftlern als Organ der Gestapo bezeichnet. Nach dem Krieg wurde er als Mitläufer eingestuft und erhielt ab 1950 wieder eine Lehrbefugnis in Skandinavistik in München. 1957 wurde er auf den Lehrstuhl für Ältere Germanistik nach Wien berufen, wo er bis 1971 lehrte. 1959 hat Höfler erstmals die These vom Ursprung der Siegfriedsage in der historischen Person des Arminius veröffentlicht (Festschrift für Franz Rolf Schröder, Heidelberg). Mit seinem Verweis auf die Hirschsymbolik bei den Germanen mischt er seine alten Männerbundtheorien neu auf und integriert sie in den nach 1945 wieder stärker werdenden Überlieferungsstrom matriarchaler Theorien; so lässt sich seine Analyse germanischer Religion leicht in die Arbeiten von Ranke-Graves zur Weißen Göttin oder zur feministischen Theorie Göttner-Abendroths vom Heiligen Paar einbauen, bzw. mit den bis heute in der Wissenschaft ernsthaft diskutierten Thesen vom germanischen Sakralkönigtum verbinden.. Die Arminiusthese selbst gilt zu Recht als abseitig, weil man davon ausgehen muss, dass die moderne Phantasie einer mündlichen Überlieferung von Arminius Sieg als antirömischer Mythos eine Erfindung der Neuzeit seit dem Humanismus und der Wiederentdeckung des Tacitus ist. Dennoch lebt die Arminiusthese immer wieder auf, so zuletzt 2005 in einem Spiegelartikel, der wohl als „alte Legende vom römischen Heeresverband als Lindwurm“ in die Inszenierung des Jugendtheaterprojekts „Nibelungenhorde“ von 2006 und in der Datierung der Nibelungenrezeption ab der Varusschlacht in das diesjährige Programmbuchs der Festspiele Eingang gefunden hat. Vor allem in der Wiener Germanistik hat Höfler nach 1957 eine Tradition begründet; seine Schüler haben sich meist nur sehr zurückhaltend mit Höflers Rolle im NS-Staat und der ideologischen Funktion seiner Forschungen auseinandergesetzt. Zwei Schülerinnen des Kummer nahestehenden völkischen Religionsphilosophen Mandel müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt werden. Waltraud Hunke war Stipendiatin des „Ahnenerbes“ und später Assistentin Höflers; sie hat Arbeiten zum Matriarchat vorgelegt. Sigrid Hunke – seit 1937 NSDAP-Mitglied – war ebenfalls Stipendiatin des „Ahnenerbes“. Sie wurde nach 1945 wichtig für die neuheidnische Bewegung. Von 1971-83 war sie Vizepräsidentin der Unitarier, 1989 trat sie wegen Linkstendenzen aus dieser dem im 19. Jahrhundert entstandenen freigeistigen Lager zuzurechnenden Religionsgemeinschaft aus.

Zur NS-Zeit stand Otto Höfler dem Ahnenerbe-Institut der SS nahe und wurde von Walter Wüst (1901-1991) protegiert. Der Orientalist und Indogermanist war SS-Oberführer und Kurator des Ahnenerbes, seit 1939 verfolgte er mit den Salzburger SS-Wissenschaftswochen das Ziel, SS-Universitäten zu gründen. Wüst empfahl Höfler für den Münchner Lehrstuhl in einem Brief an Himmler mit den Worten, Höfler könne „mit größtem Erfolg in die vom „Ahnenerbe“ betreute Kulturarbeit der SS eingesetzt werden.“ (Nach: Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS, München, S. 138) Aus einer internen Stellungnahme des SS-Obersturmbannführers Siegfried Engel, Referent für weltanschauliche Erziehung im Reichssicherheitshauptamt, vom 28.12.1937 geht hervor, dass Höfler auf Betreiben von Himmler „zwecks engerer Mitarbeit am „Ahnenerbe“ zum Sommersemester 1938 an die Universität München berufen“ wurde (homepages.unituebingen.de/gerd.simon/
nordschulz.pdf). Höfler galt als „Ahnenerbe“- Vertrauensmann in der „Ostmark“, der den Funktionären z.B. im April 1938 „einen Bericht über in Frage kommende Kandidaten“ (Kater, S.83/Dokument vom 23.4.1938 in: homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/hoeflerwien.pdf) für die kurze Zeit bestehende Wiener Außenstelle. Am 8.3.1943 referierte Höfler im Ramen der Führerabende des Amtes III im Reichssicherheitshauptamt über Skandinavismus. Die „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.V. war eine nationalsozialistische Forschungseinrichtung, deren primäre Aufgabe darin bestand, „wissenschaftliche“ Belege für die Abstammung und Überlegenheit der sogenannten arischen Rasse zu finden. Die Institution wurde 1935 von Heimrich Himmler (Reichsführer SS), Richard Walther Darré (Reichsbauernführer und Leiter des Rasse- und Sieldungshauptamtes) und dem niederländischen privatgelehrten Hermann Wirth als Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte gegründet.“ (wikipedia) 1937 trennte Himmler sich von Wirth. Unter Wüst wurde der Schwerpunkt auf die Wissenschaftspolitik gelegt. Nach 1940 wurde der Verein als Amt A in die Diensstelle „Persönlicher Stab Reichsführer SS“ eingegliedert.Zu den Aufgaben zählten der Raub von Kulturgütern in den besetzten Gebieten, die ideologische Schwächung von Autonomie- und Widerstandsbewegung durch eine Germanisierungs-Ideologie du die Anwerbung von Freiwilligen für die Waffen-SS. 1942 wurde das „Institut für wehrwissenschaftliche Forschung“ gegründet, das tödliche Menschenversuche an Häftlingen in den KZ’s Dachau und Natzweiler durchführte. Ahnenerbe-Geschäftsführer Wolfram Sievers (1905-1948) wurde deswegen im Nürnberger Ärzteprozess 1947 zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet. Im Verlauf der NS-Geschichte wurde das „Ahnenerbe“ immer mehr zu einem SS-Institut, der Einfluss der Blut-und-Boden-Ideologen aus dem Umfeld Darrés und anderer SS-fremder Ideologien (z.B. Wirths matriarchale Urgeschichtsdeutungen) wurden in den Hintergrund gedrängt. Man kann diese Entwicklung gut am Beispiel von „Reichsgeschäftsführer“ Sievers erkennen, der als Privatsekretär Wirths Zugang zum „Ahnenerbe“ gefunden hatte. Er kam über die bündische Jugendbewegung zum völkischen Artamanenbund. Und „scheint weniger vom Blut-und-Boden-Mythos der Artamanen als von ihrer Ideologie der Elite beeindruckt gewesen zu sein.“ (Kater, S.29) Diese Grundhaltung differenziert sich in der Entwicklung des „Ahnenerbes“ zur reinen SS-Organisation aus und führt zur Schwerpunktsetzung auf den Elitegedanken. Dies wiederum passt zu den männerbündischen Theorien Höflers, der in seiner Habilitationsschrift über „Kultische Geheimbünde der Germanen“ den Sagenkomplex der „Wilden Jagd“ auf einen ekstatischen Totenkult der Germanen um Odin zurückführt. Kummer kritisiert diesen Gedanken bereits in seiner Schrift „Germanenkunde im Kulturkampf“ (1935) als Gleichsetzung mit „primitiven Völkern“ (S.17) und führt das am Beispiel des „wilden Heeres“ aus. Dann breitet Kummer die Konflikte der germanenkundlichen Wissenschaftsdebatte im Einzelnen aus und stellt fest, man komme mit Höflers Germanenbild, „wenn es gut geht, auf den Mond, oder zu den Kaffern, aber zu den Germanen eigentlich nur, wenn es der Zufall dieser Beweise will.“ (S.19) Den ideologschne Konflikt beim „Ahnenerbe“ beschreibt er treffend, das germanische Heldenbild sei nach Hermann Wirth „,“sofern es noch echt und unvermischt ist, strahlend edel, rechtlich, religiös und friedevoll gesinnt, von Frauen geleitet, (der Fürst ohne Waffen in der Ura-Linda-Chronik), nach Höfler ist es ein sich zu den Festen maskierendes und mit Stehlrecht umhertobendes Geheimexklusiv der Männer, das sich mit den tapfersten „Ahnen“ in ekstatischer Raserei „identifiziert“ und dem „zitternden“ Volk die Unsterblichkeit vorführt.“ (S. 21) Auf dem „Deutschen Historikertag“ 1937 hielt Höfler einen Vortrag über das Kontinuitätsproblem und postulierte, dass es zwischen germanischem Altertum und deutschem Mittelalter keinen Bruch gegeben habe. Anders als die Troja-Ursprungsmythen der Franken, Karolinger und Staufer verbindet er jedoch nicht römisches Imperium und deutsches Mittelalter, sondern geht von einer rassisch definierten germanischen Kontinuität aus. Um den jahrhundertealten Minderwertigkeitskomplex gegenüber einem Zivilisationsvorsprung der Römer zu entgehen, stattet er bereits die Germanen mit römischen Eigenschaften aus, nämlich der geschichtsbildenden Fähigkeit, ordnungspolitisch-gestaltend und herrschaftlich-staatich zu wirken. Diese Fähigkeiten leitet er aber aus einer typisch germanische, nicht-römischen Ratio ab, die aus den ekstatischen Männerbünden entstanden sei. In einem Vortrag von 1941 über „Germanische Einheit“ – eine Fiktion des 19. und 20. Jahrhunderts, wie gerade die tatsächliche Arminiusgeschichte beweist – beschreibt er eine „Einheit des Wesens vom Gotenreich am Schwarzen Meer bis nach Grönland“ (nach H.Engster, Germanisten und Germanen, Frankfurt 1986, S. 88) Zu den Grundformen gehörten Führerprinzip, Treue und das Pathos einer Todesgemeinschaft, der Held erwähle sich seine Gefolgschaft – also das Gegenbild von Kummers Bauernthing mit Wahlkönigtum, das ja noch im frühen Mittelalter üblich war -, der Volksgemeinschaft als oberstem Wert, dem Volk als Kampfgemeinschaft sowie der Herrschaftsstiftung und Staatsgründung als welthistorischer Aufgabe und Leistung.
In einem Vortrag von 1943 über „Probleme der germanenkundlichen Forschung in unserer Zeit“ (homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/hoeflerprobleme.pdf) beschreibt Höfler den Konflikt zwischen der völkisch-dörflichen und der elitär-staatlichen Position als nur „scheinbaren Dualismus zwischen Krieg und Frieden“, ganz angepasst an die historische Situation des NS-Staates: „In der dörflichen Gemeinschaft gab es auch noch die Jungmannschaft. Spuren von ihr sind heute noch lebendig. Sei hatte ihre eigene Religionsgemeinschaft und ihre eigenen Kulte, die sich an Wodan (= Odin, der Verf.) anknüpften. Dagegen hatte die bäuerliche Thinggemeinschaft ihren eigenen Gott Thiu, den Obergott der alten germanischen Dorfgemeinschaft. Stellen wir uns die Verhältnisse am Rhein vor 2000 Jahren vor. Nach der Niederwerfung Galliens kommt Caesar bis an den Rhein. Die Germanen antworten darauf, indem sie alle Energien daransetzen, diesen Angriff abzubiegen und sie haben auch tatsächlich weitere römische Expansionen verhindert. Sie gehen aus der Verteidigung in den Angriff über, überrennen das Römische Reich und setzen ihrerseits Staatengründungen stattdessen. So wird an dem germanischen Rheinufer die Wehrkraft durch die dauernde Kampflage intensiviert, aber der Träger der Wehrkraft ist eben die Jungmannschaft...Sind die Kämpfe von Dauer, wird die Bauernschaft weniger wichtig als der wehrhafte Teil. Und geht das Jahrhundete so hin, so erfolgt auch im Religiösen eine Wendung vom Bauerngott zum Kriegergott.“ Insgesamt liegt das Problem dieser Theorie – einmal von Deutungs- und Wertungsfragen abgesehen – in der Kontinuitätsthese Höflers, denn weder bildeten die Germanen eine politische und kulturelle Einheit, schon gar nicht ethnisch betrachtet, noch gibt es eine politische Linie über die Jahrhunderte in Angriff und Verteidigung, sondern Episoden unterschiedlicher Annäherung zwischen den politischen Systemen und Kulturen.

Die Kontroverse Kummer/Höfler geht von Otto Höfler aus, wenn man einer Chronologie des Wissenschaftsstreits aus dem RuSHA von 1937 (S.Engel, s.o.) glauben kann, und zwar in einer Fußnote seiner Habilitationsschrift „Kultische Geheimbünde“ (Fußnote 169, S.335 ff.). Das Hauptwerk des vier Jahre älteren Kummer „Midgards Untergang“ erschien bereits 1927, das Hauptwerk Höflers „Kultische Geheimbünde“ 1934. Bereits im Januar 1933 wird Höflers Habilitationsschrift in Kummers Zeitschrift „Nordische Stimmen“ besprochen. Die Polemiken Kummers und seiner Anhänger gegen Höflers Thesen wiederhole sich in den folgenden Jahren mehrfach jährlich an gleichem Ort. Eine gerichtliche Auseinandersetzung wird schließlich durch Kummers Verleger Klein durch einen Artikel 1937 ausgelöst. Sein Gegner dabei ist allerdings nicht Häfler, sondern der Schriftleiter der Ahnenerbe-Zeitschrift „Germanien“ Joseph Otto Plassmann (1895-1964). Der WirthAnhänger (1928) kam über das Stabsamt von Darré zum RuSHA und wurde im Dezember 1937 Abteilungsleiter „germanischen Altertumswissenschaft“ beim Ahnenerbe; bereits seit März 1936 war er Schriftleiter der Zeitschrift „Germanien“. Plassmann und Höfler antworten nicht nur in „Germanien“ sowie Höfler auf dem Historikertag 1937, sondern Plassmann erwirkt auch eine eisntwielige Verfügung, „die Kummer und Klein untersagt, durch ehrverletzende Äußerungen in der Zeitschrift „Nordische Stimmen“ Plassmann zu beschimpfen oder herabzusetzen“ (homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/nordschulz.pdf). Plassmann legt nach und will einen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung ahnden lassen, wird aber vor Gericht abgewiesen. Im März 1938 bittet Reimar Schulz, Gaustellenleiter im thüringischen Landesamt für Rassenwesen den bereits genannten SS-Obersturmbannführer Engel im RuSHA sich für Kummer zu verwenden, weil seine Ernennung zum Professor durch einen Einspruch von Himmler beim Reichsbildungsministerium verzögert wird. Schulz verweist auf Intrigen des Höfler-Schülers Siemsen im SD mit den Worten: „Was haben Propagandisten für Kultekstase und Germanendämonen im SD zu suchen?“ Was Schulz offenbar nicht weiß, ist das Engel die Lage bereits 1937 sondiert und in einem internen Bericht zusammengefasst hat. Darin heisst es, der SD-Oberabschnitt Nord-West habe sich bereits frühzeitig für Höfler ausgesprochen und Kummers Angriffe auf persönliche Motive zurückgeführt. Im RuSHA hält man die Kontroverse im Kern für eine Überbetonung wissenschaftlicher Standpunkte und neigt dazu, den Beginn der Kontroverse Kummer zuzuschreiben, was von der Chronologie her nicht stimmt, aber durch die Intensität und Dauer von Kummers Angriffen nahe liegt. Es heisst weiter, Himmler habe sich nach Aktenstudium eindeutig für Höfler entschieden und auch seine Berufung nach München betrieben. Weiter heisst es von Himmler: „Er soll erstens beim Generalstaatsanwalt Antrag auf öffentliche staatsrechtliche Verfolgung gestellt und zweitens den Reichsstatthalter SS-Gruppenführer Sauckel dienstliche scharf angewiesen haben, Kummer gehörig in seine Schranken zu weisen, drittens eine Disziplinartnersuchung gegen das SS-Mannschaftshaus der Universität Jena wegen des dortigen Kummerschen einflusses angeordnet und viertens dem SS-Brigadeführer Dr. Reischle und SS-Standartenführer Kinkelin durch SS-Gruppenfürher Wolf einen Verweis wegen ihres Eintretens für Kummer habe erteilen lassen.“ (homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/nordschulz.pdf) Himmler habe seine Empörung darüber ausgedrückt, dass SS-Führer wegen eines derartigen „verschwommenen Pazifismus“ ihm und der SS in den Rücken fielen. Hinter Plassmanns Attacke stand also letztendlich Himmler. Ebenfalls im März 1938 wird Kummer – nach Unterlagen von Gerd Simon – in die SA aufgenommen, wegen des Streits mit Himmler jedoch nicht in die Partei. Die Thüringer Kummer-Befürworter treten in Aktion; eine Parteiaufnahme wird für Ende des Jahres angestrebt. Himmler bremst in der Folge Plassmanns Aktivitäten; der Streit soll durch Aussprachen heruntergekocht werden. 1941 schließlich wendet sich der Jenaer Rektor Astel an Himmler mit der Bitte, seinen Einspruch gegen eine Berufung Kummers beim Reichsbildungsministerium zurückziehen, was offenbar geschieht, den Kummer erhält 1942 die Professur. Parallel dazu gibt es Anzeichen, dass Ahnenerbe-Kurator Wüst zu Höfler auf Distanz geht. Kummer versucht einen Prozess gegen Plassmann anzustrengen, um sich zu rehabilitieren. Das Kriegsende unterbricht diese Form der Auseinandersetzung.
Es geht zum Einen ganz offensichtlich und auf eine stets, auch heute noch lächerliche Art und Weise um Karriere, sowohl bei Kummer als auch bei Höfler, aber auch bei ihren Anhängern und Unterstützern. Ein besonderes Kennzeichen des NS-Staates ist - anders als im vorliegenden Fall - die mögliche Radikalisierung solcher Auseinandersetzungen (siehe den so genannten Röhm-Putsch). Karriere-Nachteile können im Nachhinein nicht als Widerstand ausgelegt werden: Sowohl Kummer als auch Höfler arbeiteten in und mit dem NS-System, auch schon vor 1933; ihre Thesen wurden auf dem Boden völkisch-nordischer Ideologie entwickelt. . Die Bildung von Seilschaften war System. Aber diese Kontroverse zeigt – wie andere Kontroversen im NS-Apparat auch -, dass es zum Einen immer Beziehungen zum Vorher und Nachher gab (z.B. beim Vorwurf des Katholizismus wie gegen Plassmann im Schulz-Brief) und das zum Anderen der Erfolg wissenschaftlicher Thesen in besonderer Weise vom Passen und Anpassen an Strukturen und historische Entwicklungen abhängig war.
Kummers am Bauern- und Sippenbild orientierter Entwurf mit der Betonung der Blutsgemeinschaft passte – idealtypisch gesprochen - zu SA und der Massenpartei, insbesondere zu Darré und zum Amt Rosenberg, Höflers männerbündischer Entwurf einer Führerelite passte wie die Faust aufs Auge zur SS. Dazu kommt, dass die Entwicklung hin zum Krieg die Ideologie einer das Volk führenden Kriegerelite gegenüber dem „verschwommenen Pazifismus“ einer Bauerngemeinschaft, die sich in der Not kriegerisch verteidigt, begünstigte. Höflers Thesen passten zudem besser in die zunehmend dominante Modernisierungstendenz der NS-Bewegung (Technischer Fortschritt, Massenpropaganda, Karriere der Kälte), die rückwärtsgewandte Bauernideologie dagegen passte eher zum NS-Minderheitenlager des völkischen Sozialismus. Und obwohl die SS gegenüber der SA im NS-Staat die jungen Karrieristen als Gewinner repräsentierte, lebten diese dennoch andrerseits ideologisch noch von der Mentalität radikaler Verlierer des ersten Weltkriegs. Dieser scheinbare Widerspruch findet sich ja auch beim terroristischen Islam, wie Hans Magnus Enzensberger zuletzt skizziert hat: Verlorenes Erbe und technische Innovation bilden eine gewalttätige Neukonstruktion, und dazu männerbündisch.

Schlussbemerkungen

1. .. Sowohl Kummer als auch Höfler orientieren sich nicht am hochmittelalterlichen Nibelungenlied, sondern an der nordischen Überlieferung. Ihr Thema ist der Germanenmythos in seiner Bedeutung für eine zunächst völkisch-nordische und dan nationalsozialistsche detutsche Ideologie.
2. In der Extremlage des NS-Staates zeigt sich deutlich, dass die Wissenschaft stets von Erkenntnisinteresse geleitet wird, oft unbewusst im Spiegel von Geschichte, Literatur und Theorie. Es zeigt sich auch, dass die NS-Zeit gegenüber ihrem Vorher und Nachher nicht zu trennen ist, obwohl 1933 und 1945 schmerzhafte Bruchstellen darstellen
3. Wegen ihrer unterschiedlichen Motive und Ziele, wegen der unterschiedlichen sozialen und kulturellen Herkunft der Akteure und wegen der durch das System geförderten internen Machtkämpfe besteht die NS-Bewegung nicht aus einem Guss, wiewohl sie durch gemeinsames Bekennntis und gemeinsame Verbrechen zusammengehalten wird. Konflikte im System bedeuten nicht, dass sich deren Verlierer im Nachhinein dem Widerstand zurechnen könnten.
4. In Höflers Theorie spiegelt sich das Karrierebewusstsein junger ehrgeiziger Männer, in Kummers Theorie eher die Atmosphäre bäuerlicher Erwachsenenbildung. Kummer versucht das in seinen Schriften nach 1945 als Demokratie zu verkaufen und findet daher Hörer und Leser im bäuerlichen und nordisch-neuheidnischen Lager (siehe Riegers Germanische Glaubens-Gemeinschaft); matriarchal orientierte Neuheiden zieht es demgegenüber stärker zu Hermann Wirth. Die starke religionswissenschaftliche Betonung Kummers macht ihn heute wegen der geringen Bedeutung einer nordischen Religion – hier haben die Kelten und Indianer nach 1945 westliche Entwicklungshilfe geleistet - wenig gesellschaftsfähig. Höfler passt dagegen einerseits besser zum Ethno- und Drogentrip der Nach-68er und damit in Alternativbewegung und Jugendkultur, andrerseits hat er als Germanist in Wie eine universitäre Tradition begründen können.
5. Einem anderen Vortrag bliebe es vorbehalten, die Theorien Kummers und Höflers – auch in Teilen - auf heutige Brauchbarkeit und Unbrauchbarkeit zu prüfen sowie in den Wertekanon und die Wissenschaftslandschaft der Gegenwart einzuordnen.