Die Nibelungenfresken
von Hans Groß

von Dr. Busso Diekamp




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Rüdigers Tod, Hans Groß, um 1929 ..



Werke eines Künstlers aus Schleswig-Holstein in Worms

Auf den Gemälden erscheinen die Personen durchweg als monumentale, etwa lebensgroße Gestalten mit starrem kalten Blick und wehendem blonden Haar. Wie im Holzschnittzyklus ist jede Szene auf ein oder zwei - ausnahmsweise drei - Personen beschränkt, die den gesamtem Bildraum des Hochformates ausfüllen. Für den Hintergrund bleibt dagegen wenig Raum; er wird nur angedeutet. Farblich wird der gesamte Zyklus von kalten Grau- und Blautönen dominiert; mit seiner "harten, metallisch wirkenden Malerei" strahlt der Zyklus eine kalte, unnahbare Atmosphäre aus.

(1.) Brunhild kommt von Isenland Die erhaltenen Bilder des Zyklus beginnen mit Brunhilds und Gunthers Ankunft aus Isenland. Wie zwei monumentale Gallionsfiguren stehen sie frontal nebeneinander am Bug eines seetüchtigen Wikingerbootes, dessen Steven sich zu einer effektvollen Spirale verjüngt. Die Fahrt des Schriffes drückt sich in einer leichten Bugwelle, in den vom Fahrtwind geblähten Umhängen und in den wehenden Haaren aus.

(2.) Der Triumph Kriemhilds Der Streit der Königinnen spielt sich vor dem Münsterportal ab, das im Hintergrund mit den Ansätzen eines Torbogens angedeutet wird. Im Triumph zeigt Kriemhild den von Siegfried entwendeten Gürtel der böse blickenden, aber hilflos wirkenden betrogenen Brunhild. Bordüren mit der verschlungenen Greiftierornamentik der Wikinger - hier vielleicht als Hinweis auf den Drachentöter Siegfried zu verstehen - säumen die Gewänder der beiden Königinnen.

(3.) Brunhild und Hagen wollen Kriemhilds Tod Mit energisch geballter Faust und bösem Blick trifft Brunhild nun auf Hagen, der auf den Jagdspieß zeigt, mit dem er Siegfried töten wird.

(4.) Siegfrieds Abschied Siegfrieds Abschied von Kriemhild vor dem Aufbruch zur Jagd volllzieht sich weniger dramatisch als auf dem entsprechenden Holzschnitt. Kriemhilds Vorahnung von der Ermordung Siegfrieds ist hier an ihrer Gestik und ihrem ausdruckslosen Gesicht nicht abzulesen.

(5.) Hagen tötet Siegfried Die Ermordungsszene entspricht dem Holzschnitt. Während Hagen aber auf dem Holzschnitt nach seiner Tat eine Gebärde von Angst und Entsetzen zeigt, ist er auf dem Gemälde ganz Herr des Geschehens: Er entwendet offenbar gerade dem sterbenden Helden das Schwert.

(6.) Kriemhilds Klage - Brunhilds Tod Diese Szene zeigt - anders als der Holzschnitt Kriemhilds Klage - eine gravierende inhaltliche Abweichung vom Sagenstoff des Nibelungenliedes. Die im Nibelungenlied überlieferte Klage Kriemhilds wird mit Brunhilds Tod in Verbindung gebracht. Im Nibelungenlied verschwindet Brunhild von der Bühne, nachdem Hagen ihr versprochen hat, Siegfried zu töten. Dagegen durchbohrt sich nach der nordischen Überlieferung der Edda Brunhild vor dem Scheiterhaufen, auf dem der tote Sigurd (=Siegfried) verbrannt werden soll, mit dem Schwert, während Gudrun (=Kriemhild) den toten Helden beklagt. In der Edda erhält Siegfried eine heidnische Feuerbestattung, während im Nibelungenlied ein christliches Begräbnis begangen wird. Das Gemälde deutet mit den Flammen im Hintergrund die ,heidnische' Bestattungsversion der Edda an.

(7.) Hagen versenkt den Hort Von Bord eines Wikingerbootes wirft Hagen den Nibelungenhort in die aufgewühlten Fluten des Rheins, der hier - wie ein norwegischer Fjord - zu beiden Seiten von hohen Felswänden gesäumt wird.

(8.) Hagen und Volker auf der Wacht Auf der Wacht vor dem Saal von Etzels Burg, in dem die Nibelungen ihr Nachtlager aufgeschlagen haben, sitzen Hagen und Volker von Alzey in einer Fensternische vor tiefblauer, sternenklarer Nacht. Der Fiedler hat sich zum Schutz vor der Kälte den Umhang über den Kopf geworfen, während Hagen sich mit der rechten Hand durch das Haar fährt und seinen wachsamen Blick nach links aus dem Bild richtet - gegen den Feind, der auf dem Bild nicht präsent ist.

(9.) Der Kampf vor der Treppe Im Kampf vor der Treppe des brennenden Saales ist Hagen der alleinige Akteur. Unter ihm ist ein Angreifer mit gebrochener Lanze gestürzt. Den Kopf des Gegner drängt Hagen mit dem linken Arm von sich, während er mit der Rechten zum Schwerthieb ausholt.

(10.) Der erschlagene Rüdiger wird gezeigt Die Figurenkomposition mit Hagen, Volker von Alzey und dem toten Rüdiger von Bechelaren nimmt seitenverkehrt das Motiv des entsprechenden Holzschnittes auf. Während Volker jedoch auf dem Holzschnitt anklagend auf den Toten weist, stützt er hier schützend mit beiden Armen den Toten. In dem Profil des Kopfes von Volker ist eine Porträtähnlichkeit mit dem Künstler - mithin ein Selbstbildnis - zu erkennen: fliehende hohe Stirn, hinter die Ohren zurückgekämmtes Haar.

(11.) Kriemhild tötet Hagen Schließlich schreitet Kriemhild im letzten Kampf selbst zur Tat. Sie steht mit erhobenem Haupt und gezogenem Schwert vor dem gefesselten Hagen. Mit der linken Hand weist sie auf das am Boden liegende abgeschlagene Haupt König Gunthers und deutet so das Schicksal an, das nun Hagen ereilen wird. Der Gefesselte blickt trotz seiner ausweglosen Situation mutig die Königin in gleicher Augenhöhe an.

(12.) Kriemhild geht ins Feuer Das letzte Bild lässt sich wiederum nicht in den Handlungsablauf des Nibelungenliedes einordnen. Im Nibelungenlied wird Kriemhild von Dietrich von Bern als Rache für die Ermordung Hagens erschlagen. Dagegen kommt Gudrun (=Kriemhild) in der nordischen Dichtung in den Flammen um. Auf dem Gemälde durchschreitet sie mit dem Schwert in der Hand die brennende Halle, unter ihr liegt Hagens abgeschlagener Kopf.

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